Montag, 25. August 2014

Battles sind für alle da! - Ist Battlerap massentauglich?


(Don't Let The Label Label You 2014 - Session 5)

Diese Frage beschäftigt mich schon länger.
Seit 2009 schaue ich mich kontinuierlich durch die meisten Battle-Ligen dieses Planeten. Dabei habe ich mir schon oft obrige Frage gestellt. Denn anscheinend finden Rap-Battles immer mehr Anklang bei Zuschauern/-hörern. Vor allem nicht nur bei Hip Hop Fans. Immer öfter treffe ich auf Battle-Events Hipster, Rocker, Elektro-Hörer und echte, sowie Pseudo-Lyriker, die mir auf die Frage, warum sie denn da seien, antworten: "Naja, Battles sind für alle da! Hier wird man doch gut unterhalten... und das zählt."

Solche Antworten ließen mich doch etwas stutzig werden. War es nicht bis vor ein paar Jahren noch so, dass ich wie ein Psychatriepatient angeguckt wurde, wenn ich gesagt habe, dass ich Hip Hop Musik mache?! Wurden nicht vor drei Jahren noch Hipster und Rocker wegen ihren engen Hosen durch metaphorische Meinungsgossen gejagt? War es nicht so, dass Anfang der 2000er Elektro-Heads und Hip Hopper nie so richtig einen Nenner finden konnten? Die heutige Musik lässt einzelne Stile zwar immer mehr miteinander verschmelzen, aber dennoch gibt es immer noch klare Trennlinien. Nur zwei Phänomene konnte ich beobachten, die verschiedenste Typen sich gemeinsam unter das Dach des Hip Hop stellen lässt: Casper und Rap-Battles.

It's bigger than Hip Hop

Wie kommt es dazu? Diese war die zweite Frage, die sich mir stellte. Und Antworten gab es genug: "Das ist lyrisch einfach gut, oft auch besser als Poetry-Slams.", "Ich finde es gut, dass es ein Kräftemessen nur mit Worten ist.", "Superlustige Sachen sagen die da - scheiß auf Comedians." Das reicht aber denke ich nicht. Warum gerade Battles? Warum nicht Savas, Kollegah, oder meinetwegen sogar VBT? Ganz einfach: Weil es Action gibt, die zum Greifen nah ist und weil so viele Dinge vereint werden:
Es wird sich beschimpft, es wird gelacht, es wird gereimt, es wird sich bewegt, es wird kritisiert, es wird reagiert, es wird polarisiert und vor allem wird THEATER gespielt! Ein Theaterstück, das nur eine Premiere hat und bei dem jeder Zuschauer Einfluss hat, mit seiner Stimme. Es ist wie ein Boxkampf mit Worten: wer besser mit Worten trifft, landet mehr bei den Fans und bei seinem Gegner. Und dazu kann man aus den verschiedensten Bereichen wählen und somit auch diese Bereiche vereinen. Z.B.: Comedy, Theater, Poesie, Kabarett, Politik-Diskussion, Talkshow, Moderation, etc. - alles ist möglich. Ich persönlich denke, dass diese Variation aus verschiedenen Entertainment Bereichen das Format Rap-Battles bei den verschiedensten Gruppen immer beliebter macht.




(Rap am Mittwoch 2013 - Laas Unlimited vs Drob Dynamic)

Diese wachsende Beliebtheit ist nicht nur spürbar sondern auch sichtbar. Allein im deutschen Battlerap: Rap am Mittwoch ist vor ein paar Jahren in einen größeren Club umgezogen. Inzwischen wagen sich sogar etablierte Rapper bei RAM in den Ring. Don't Let The Label Label You tourt durch ganz Deutschland mit eigenen Events und mit End of the Weak. Dieses Jahr hat DLTLLY sogar ein Event auf dem Splash!, einem der größten Hip Hop Festivals Europas veranstaltet. Sogar die weltweit bekannte englische Liga Don't Flop, hat es vor einigen Wochen für ein Co-Event mit DLTLLY nach Berlin verschlagen. Ich selbst habe dort (als deutschsprachiger Rapper) ein Battle auf Englisch gemacht. Die Verbindungen werden also immer enger und die Welt des Battlens immer größer.




(Don't Let The Label Label You 2014 - Splash!)

Mainstream oder Failstream? 

Aber heißt bei 'verschiedensten Menschen beliebt' gleichzeitig 'massentauglich'? Auch wenn Battlerap sich zur Zeit ständig wachsender Beliebtheit erfreut, bedeutet das noch nicht, dass eine große Masse diese Kunstform gutheißen könnte. Allein faktisch gäbe es dafür mehrere Gründe:

1. Beleidigen
In Battles wird geschimpft, geflucht und "gehurensohnt". Mit dieser Art Sprache geht nicht jeder konform. Gläubige, Senioren, Business-Menschen wären nur einige Beispiele. Von Kindern ganz zu schweigen. Wenn Eltern jetzt schon ein Problem haben, dass ihre Kinder Rapmusik hören, dann möchte ich nicht wissen, wie groß der Aufstand wäre, bei einer Kunstform, in der es (u.A.) darum geht sich zu beleidigen.

2. Kinder
Da wir schon beim Thema sind: In meinen Augen ist für Kinder nicht nur das Aufsaugen von Schimpfwörtern bei einem Battle gefährlich. Viel komplizierter wird es erst bei der Bedeutung der Inhalte. Manche Kinder und auch Jugendliche, haben einfach nicht die Reife und die Erfahrung, um Ironie und Theater von Ernst und Realität zu unterscheiden. Ich glaube kaum, dass die Jugendlichen wegen einem Rap-Battle die Schule zerballern, aber ich denke es gibt manche Inhalte in Battles, die so komplex sind, dass sich nicht mal die Rapper selbst einig werden, wo man differenziert. Man muss eben auch Lebenserfahrung ein gewisses Verständnis für die Kultur mitbringen, um sich über ein solches Battle überhaupt Gedanken machen zu können.



3. Verständnis
Wieder ein treffender Übergang...hehe. Ja, man benötigt auf jeden Fall Verständnis für die Hip Hop-Kultur, um die Battle-Kultur verstehen zu können. Und wenn man dies hat, sollte man sich am Besten auch noch intensiver in die Battle-Kultur hinein arbeiten. Denn die benötigt wiederum mehr Verständnis. Allein jetzt in einer (noch) Untergrund-Szene sehe ich schon, wie sich in Youtube-Kommentaren über besagtes Verständnis gestritten wird. Würde das nicht viel schlimmer, wenn man Rapbattles Leuten einfach vorsetzt als Mainstream-Event, ohne vorher ein wenig aufzuklären?!


(Total Slaughter 2014 - Event Flyer)

In Amerika gab es vor Kurzem sogar einen Versuch Battlerap als Mainstream-Programm zu verkaufen. Über einen "Pay-Per-View" Privatsender wurde das von Shady-Films produzierte Format "Total Slaughter" ausgestrahlt. Zuerst gab es eine Art Reality-Soap namens "Road to Total Slaughter" in der acht Battle-MCs zusammen in ein Haus gesteckt wurden. Darunter namhafte Größen wie T-Rex, Daylyt, Arsonal oder Dizaster. Diese acht mussten im Turnier Modus gegeneinander antreten, um die zwei besten zu ermitteln, die dann im großen Finale beim Total Slaughter Live-Event battlen. Bei diesem Live-Event gab es dann noch zwei weitere Battles, nämlich zwischen den Legenden Murda Mook und Loaded Lux, sowie zwischen Battle-Veteran Hollow da Don und dem Platin-Status Rapper Joe Budden(!). In meinen Augen war dieser Reality-Soap Teil der Show eher wie ein "Real World of..." auf Hip Hop getrimmt. Die Battles waren jedoch sehenswert. Das Live-Event hingegen war mehr als nur traurig mit anzusehen. Die Location war zu groß, die Organisation zu chaotisch und die MCs traurigerweise einfach zu... ich will nicht sagen schlecht, aber definitiv zu overhyped. Man hat an der ganzen Aufmachung bereits eine typische Fernseh-Dramaturgie erkennen können. Alles sollte größer, besser und krasser sein. Allerdings war es wohl genau dieser Ansatz, der diesem Versuch Mainstream zu sein, das Potential genommen hat. 



(Total Slaughter 2014 - Road to Total Slaughter Episode 1)

Die Battle-Bundesliga

Ich habe mir schon öfters vorgestellt, wie eine Welt aussähe, in der Battlerap ein Volkssport wäre. Am Wochenende wird nicht über Fußball sondern über Rap-Battles diskutiert. Die Leute streifen sich das T-Shirt ihres Lieblings-MCs über und gehen zum Event oder sitzen vor den Fernsehbildschirmen. Die Zeitungen schreiben am nächsten Tag über eine dramatische Begegnung auf der Bühne zwischen zwei hungrigen Rappern. Es gibt eine Tabelle, Internet-Voting und Fanklubs. Battlerapper machen für Coca Cola Werbung. Es gibt Gehälter, Sponsorenverträge, Fanartikel und Pressetermine.



Allerdings kommen hier schon Dinge auf einen zu, die Streitigkeiten hervorrufen, weil Battlerap eben kein Sport mit Regeln sondern eine frei denkende Kunstform ist. Wie soll man also eine Tabelle erstellen und Leistungen messen. Jeder hat hier Geschmäcker, die nicht so leicht zu rahmen sind wie z.B. beim Fußball. Meine Vorstellung bietet viele Vorteile: vernünftige Bezahlung für Rapper und Veranstalter, Sponsoren für Events, Anerkennung einer neuen Kunstform. Allerdings möchte ich mir nicht vorstellen, ein Battle im Fernsehen zu sehen mit Werbeunterbrechung. Ich möchte nicht sehen, wie ein Rapper zensiert wird, nur weil irgendwelche Sendeleiter meinen, dass sowas nicht zum Image des Senders passt. Ich möchte keine geschmierten Battles sehen, bei denen es um Wetteinsätze geht. Ich möchte keine großindustriellen Lobbyisten, die mit Gehältern wedeln. UND VOR ALLEM möchte ich weder Qualitätsverlust noch möchte ich, dass ein Battle seine Einzigartigkeit verliert!




(Don't Let The Label Label You 2014 - Splash!)

Ich denke Battlerap sollte unbedingt noch mehr wachsen, denn diese Fähigkeit Menschen zusammen zu bringen hat so kaum eine andere Kunstform. Jedoch hat mir das Total Slaughter-Event gezeigt, dass ein Wachstum auch einen Wandel beinhalten könnte, der der Kultur mehr schadet als gut tut. Ich suche hier nicht nach einer Antwort, ob Battlerap nun massentauglich ist oder nicht, aber ich wollte meine Gedanken zumindest mal auf Papier bringen und nebenher gerne eine Diskussion anstoßen, die helfen könnte das Wachstum dieser Kultur so passieren zu lassen, ohne dass dabei die Seele verloren geht.

Brian Damage

(Nach solch philosophischen Worten hätte ich aber schon gern den Blog-Pulitzer-Preis! Und wenn's den nicht gibt... dann wenigstens ein Stück Schokolade oder ein Nimm2 Bon-Bon.)




2 Kommentare:

  1. Ich glaube, Du musst das differenzierter betrachten. Ich gebe Dir absolut recht, dass Rap-Battles nicht mehr im "Underground" stattfinden. Ich glaube, am ehesten würde ich hier YouTube dafür danken. Denn auch wenn Du VBT vielleicht nicht so gut findest wie Live Battles (ich auch nicht), hat schon VBT Leute gefunden, die von Bushido und Sido nicht wirklich angesprochen wurden. Ich glaube, ein großer Teil dessen ist ein gewisser Humorfaktor, der mit der Zeit aber wieder zurück zum Ernst gefunden hat.

    Natürlich kann ich nicht in die Zukunft sehen, aber ich denke, Battlerap wird hierzulande noch ein wenig wachsen, irgendwann am Gipfel ankommen und sich dann dort oben so lange halten wie möglich. Das wird auch ein wenig von der Entwicklung der Rapper abhängig sein. Das ist nämlich der nächste Punkt, den ich ansprechen möchte.

    Die Bundesliga zeigt Profi-Fußballer. RAM, DLTLLY und O4F zeigen in meinen Augen meistens nur Amateure, was ich nicht abwertend meine, sondern nur ein Veruch ist, den derzeitigen Stand der Dinge aus meiner Sicht festzuhalten. Natürlich gab es Laas, vielleicht auch Gregpipe, die wirklich erfahren und sehr gut bzw. gut sind. Aber daneben gibt es einen Haufen Leute, die eigentlich hauptsächlich über das Übergewicht und die Sexualität der Mutter des Gegners sprechen. Dabei geht es mir gar nicht darum, dass das nicht meinem persönlichen Stil entspricht, sondern, dass ein gutes Fußball-, Snooker-, wasauchimmer-Spiel, in seiner Schönheit zeitlos ist und dass das bei den beisten Battles einfach nicht der Fall ist. Da haben die bei RAM acht(?) Wochen Zeit und finden nur drittklassige Reime über ihre Penislänge. Das ist einfach alles nicht besonders gut.

    Auch habe ich den Eindruck, dass deutscher Rap immer der Versuch war, amerikanisch zu sein, wenn ich mal Fettes Brot da heraus nehme. Französischer Rap hat beispielsweise eine sehr eigene Kultur entwickelt und da eine Abspaltung gefunden. Deutschrap weiß hingegen nicht so richtig, was es sein möchte. Ich finde den Unterschied zwischen britischem und amerikanischem Rap sehr viel größer als jenen zwischen Deutschland und den Staaten/Kanada. Es gibt ja hierzulande ernsthaft immer noch Rapper, die das Leben in der Großstadt als Ghetto bezeichnen, zehn Jahre nach Bushido und Sido, ich bin jedes Mal verblüfft, auch wenn hiesige Familienclans als Schablone für amerikanische Drogengangs herhalten. Das ist alles - es tut mir Leid - einfach ziemlich dilettantisch. Ich glaube, jedem amerikanischen Rapper diese Geschichten, bei den Deutschen sehe ich nur den Pflichtanwalt, der da Sozialstunden und Bewährung für eine Schlägerei herausschlagen konnte.

    Das andere ist, um beim Thema der Bundesliga und Professionalität zu bleiben, dass ich als Fan von Musik und Literatur bzw. Poesie jeden Rapper ebenso mit jedem anderen Poeten vergleiche. Und tut mir Leid, aber Rilke, Poe und Heine benutzten keine Zweckreime (hehe, das reimt sich, so halb).

    Aber, weil ich natürlich weiß, wie man all dem entgegnen kann: natürlich geht es um Unterhaltung. Und viele fühlen sich ja unterhalten. Aber ich persönlich - ich rappe eher für mich, was wohl bedeutet, ich finde mein Zeug noch nicht gut genug für "da draußen" - möchte einen richtig guten Film sehen und es werden meistens schlechte Komödien geboten. Vielleicht verbessert sich das alles noch und Zeilen á "Deine Mutter ist soo fett, höhö,.." und "Wenn ich mein Messer zücke, .." gehören bald eher der Vergangenheit an. Denn es braucht Revolutionäre, die eine neue Dichte schaffen, die das Gefühl transportieren, hier zu leben und dazu gehört mehr. Laas, als einziger, finde ich, hat das eigentlich hingekriegt, weil er schließlich sagte, schaut, ich rappe seit je her und es hat mir gar nichts gebracht, niemand geht zu meinen Konzerten, ich rappe gegen Dr. Dave, Drob Dynamic und Kollegah verkauft ohne Rucksack viel mehr Alben als ich, und trotzdem, trotzdem kann ich es nicht sein lassen.

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  2. (2)


    Also, ich hoffe, das Niveau steigt. Ansonsten glaube ich, bleibt das alles nämlich sehr deutsch. Deutsch wie eben deutsche Filme (es gibt hier nur drei Schauspieler, Schweighöfer, Schweiger und Brühl, und nur einer von ihnen ist gut. Waltz spielt ja hierzulande bewusst nicht mehr mit.), deutsche Komiker (welcher deutsche Komiker kommt einem Louis C.K. auch nur ein wenig nah?), deutscher Poetry Slam (sorry, aber ich schreibe bessere Gedichte, wenn ich nicht einschlafen kann und ich meine das todernst.) und natürlich deutsches Fernsehen (Breaking Bad, Seinfeld, Mad Men, Sherlock, House, ... heißen hier Verdachtsfälle oder Tatort und sind .. schlecht.) und schlussendlich deutsche Literatur (wo ist moderne deutsche Literatur?).

    Ich stehe dem Ganzen so halboptimistisch gegenüber und hoffe, dass Battlerap hierzulande noch viele Möglichkeit und bessere Level findet. Ich empfehle Dir, Damage, Sir, vielleicht diesen Artikel von Malte Welding zu lesen, er erläutert auch ein wenig, wovon ich rede, wenn ich diesen Vergleich zur Bundesliga schlage: http://www.berliner-zeitung.de/magazin/essay-zum-deutschen-fernsehen-stirbt-das-land-vor-langeweile-,10809156,11953168.html
    Und eventuell noch Maxim Billers Worte über deutsche Literatur: http://www.zeit.de/2014/09/deutsche-gegenwartsliteratur-maxim-biller

    (Ein ganz anderes Thema ist die Doppelmoral. Du Schwuchtel, Du Frau, Du bist behindert, das ist alles okay zu sagen, aber zieh mal gewisse andere Dinge so in den Dreck und schon fliegen die tränenüberströmten Fäuste.)

    ai.

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