Montag, 14. April 2014

Personal-Bars - Wo liegt die Grenze?


Puhhh... ich habe lange nachgedacht, ob ich diesen Artikel überhaupt schreiben soll. Warum? - Weil jeder (und ich meine JEDER!) dazu eine andere Meinung hat. Ich habe z.B. überlegt, ob ich meine Meinung in diesem Fall lieber für mich behalte, da sonst Leute empört reagieren und mich nur noch anhand dieses Artikels bewerten. Andererseits habe ich überlegt, ob ich mich hier auskotzen soll, da ich sowieso auf jedem Battle-Event mit Leuten darüber diskutiere. Ich bin zu dem Entschluss gekommen weder noch zu tun, denn meine eigene Ansicht zum Thema "Personals" ändert sich ständig. Deshalb werde ich dieses Thema mal unter einem analytischen Aspekt angehen und mit Hilfe meiner persönlichen Erfahrungen versuchen Antworten zu finden.

Seit Beginn der Battlerap-Geschichte sind die meist diskutierten Lines nahezu immer Personal-Lines gewesen. Egal ob in Diss-Tracks, Freestyle- oder Written-Battles. Der Meister der Diss-Tracks ist wohl unumstritten Eminem. Mit Liedern wie "Girls", "The Sauce" oder "The Warning", hat er die Bedeutung der Worte "persönlich werden" wohl neu definiert. Aber richtig interessant wird es denke ich erst in der Rapbattle-Szene. Hier sind die Protagonisten noch nicht auf die Planeten Hollywood und Riesenvilla ausgewandert. D.h. das sind noch echte Menschen zum anfassen, die ein Privatleben besitzen, welches unserem recht ähnlich ist. Und auf Battle-Events kann man diese Personen nicht nur beim Rappen bestaunen, sondern sogar mit ihnen sprechen. Allein deswegen hat ein Live-Rapbattle einen ganz anderen Charakter, da man im Gegensatz zum Diss-Track die Reaktion auf jede Punchline sofort in den Gesichtern der Rapper und des Publikums sehen kann. Das sind alles Dinge, die ein Live-Rapbattle viel greifbarer machen, als jeden Diss-Track oder jedes Video-Battle (...pff ...Video-Battles). Und es ist gerade diese greifbare Realität, die einer persönlichen Zeile ihre Macht gibt.


"Wenn ich die Hölle betrete, findet man Satan verkrochen,
sabbernd und kotzend in der Ecke, wie er in seinen Bart stammelt: 'Hätt' ich besser soviel wie Philipp's Vater gesoffen'."


(Merlin - Merlin vs Mighty P)

Was sind Personal-Bars?

Das war die erste Frage die sich mir aufwarf. Ist es schon persönlich, wenn man den Gegner in seiner Funktion als Rapper oder MC angreift? Ist es schon persönlich, wenn man sich auf den Gegner bezieht? Ist es schon persönlich, wenn man beschreibt, wie das eigene Fortpflanzungsorgan in irgendeine Öffnung des weiblichen Elternteils eindringt? Oder muss man da noch tiefer graben? (Ja... ich grinse gerade wie ein Honigkuchenpferd!)

Generell sehen viele Leute das verschieden. Jedoch lässt sich bei genauer Betrachtung ein Trend erkennen: In all den Jahren stellte ich fest, dass Fans, Battle-MCs, Veranstalter und weitere sich zu 99% einig waren, dass es in Ordnung ist, wenn man die Person in ihrer Künstlerfunktion angreift. D.h. alles was die Person als Künstler in der Öffentlichkeit tut, darf mit Punchlines bombardiert werden und das auch gerne mit persönlichem Bezug. Damit ist die erste der vier Fragen von oben schonmal beantwortet: Nein.

Aber bedeutet das automatisch, dass es eine persönliche Line ist? Ich finde, man muss da von außen nach innen vorgehen und die Persönlichkeit eines Battle-MCs wie ein Zwiebelmodell sehen: Mit jeder Schicht, kommt man dem Kern, also der verletzlichen Seite (und so auch dem Menschen, der hinter einer Kunstfigur steht) immer näher. Hier also mein persönliches Zwiebelmodell:

"Generic-Bars"


In meinen Augen die erste Schicht, da sie die meisten oft unberührt lässt. Die große Frage bei vielen Battles ist, ob man sog. "Generic-Bars" verwendet oder sich direkt auf das Tun und Sein des Gegners bezieht. Generic-Bars sind allgemeine Zeilen, die auf jeden zutreffen könnten und meistens frei erfunden sind. Die Line muss dabei nichts mit der Persönlichkeit des Gegenübers zu tun haben, sondern ist vielmehr eine Art den Gegner mit Hilfe allgemeiner Mittel zu beleidigen. Ein Beispiel wäre: "Ich fick dich in den Arsch!". Das kann man mit jeder Person machen, die einen solchen besitzt (und das tut vermutlich der Großteil der Menschheit). Eine simple Beschimpfungsfloskel also. Falls der Gegner jedoch unter einem analen Vergewaltigungstrauma leidet, dringt man ja tief in dessen Psyche ein ohne es zu wissen. Persönlich? Allerdings basiert eine solche Zeile auf einem "auf gut Glück"-Prinzip, wurde also in Unwissenheit darüber verfasst. Dabei fällt automatisch die Intention, auf genau dieses Trauma einzugehen, weg. Von daher: unpersönlich.

Gegnerbezug

Ich nenne diesen Typ gern "Rapper-Bars", da er sich oft auf die Figur eines Rappers oder eines MCs bezieht, der einem gegenübersteht. Hier wird vorzugsweise von der Musik eines Künstlers, anderen Battles, seiner "Fakeness" oder "Realness" oder irgendwelchen Businessmoves gesprochen. Gerne wird hier auch auf das Aussehen, wie z.B. die Kleidung eingegangen. An sich doch noch kein Grund die Moralglocke zu läuten...oder?!


"Ey und so winzig sein is' wirklich scheiße.
Obwohl hier viele nicht wissen wie schrecklich.
Denn der Arme brauch' sogar ein Sitzkissen, um sich auf ein Sitzkissen zu setzen!"

(Harry Crotch - Harry Crotch vs Jack Dragon)

Ich selbst habe z.B. gegen korpulentere Gegner bereits Witze über ihr Körpergewicht gebracht. Fast alle haben das mit Humor gesehen. Allerdings kann solch ein Humor auch irgendwann zur Maske für Selbstscham werden, womit man wiederum nicht nur an der Oberfläche kratzt, sondern die Nägel auch gerne mal ins Fleisch darunter versenkt. Das Gleiche passiert auch, wenn es um Musik geht. Geht man z.B. von der Raptechnik eines Gegners weg und spricht stattdessen über den Verlauf seiner Karriere, impliziert man automatisch den Menschen hinter einem MC. Bei dieser Art Gegnerbezug ist die Linie zwischen persönlich und unpersönlich also anscheinend schon fließend. Jedoch handelt es sich hierbei meistens um Fakten, die auch in der Öffentlichkeit kursieren und die in einem Battle (meistens) lediglich hervorgehoben werden. Deshalb sollte hier niemand rumheulen, wenn ihm/ihr das zu persönlich ist. Und falls doch... na dann tretet lieber dem Debattierklub bei und lasst Battlerap in Ruhe!



"Deine Mutter"

Ich habe beschlossen, den Muttersprüchen eine eigene Kategorie zu widmen, da diese wohl mitunter die am häufigsten diskutierten und verwendeten Zeilen im Battlerap sind. Jetzt sind Schale und die oberen Schichten schon entfernt und wir sind an dem Teil der Zwiebel angelangt, wo sich zeigt, wer weint und wer ohne Probleme weiterschneidet.

Ach ja... die Frau Mama. Der Aufbau der Mutterzeile ist simpel: Man beginnt einen Satz mit "Deine Mutter..." und lässt anschließend ein furchtbar beleidigende Phrase folgen. Oder man verwendet "Deine Mutter" als Pointe einer Punchline. Ich denke mal das ursprüngliche: "Yo mama!", hatte durchaus die Absicht, eine persönliche Grenze zu überschreiten. Aber das tut dieser Ausdruck ja nicht erst seit der Erfindung des Rap. Er hat ihn nur noch beliebter gemacht. Aber gerade die Überreizung dieses Ausdrucks hat es geschafft, dass die meisten MCs sich davon nicht einmal mehr beleidigt fühlen. Dennoch wird ständig diskutiert. Mein Lieblingsbattle, was diese Diskussion angeht, ist hierbei dieses:



(Rap am Mittwoch 2012 - Atzenkalle vs MC Bogy)

MC Bogy beleidigt in einem Freestyle gezielt (mit wohlgemerkt der ERSTEN Zeile) die Mutter von Atzenkalle, worauf dieser danach ebenfalls eine Mutterzeile bringt, die jedoch viel harmloser ist. Sie impliziert zwar deutliche Absichten, lässt aber noch einiges offen. Bogy hingegen hält gleich darauf mit aufgeregter Stimme einen moralischen Vortrag und beschwert sich, dass man sowas nicht tun "sollte". Inwiefern Bogy da nachgedacht hat oder nicht, überlasse ich dem Zuschauer.

Nun hat dieses Battle nach Jahren der Mutterwitze wieder eine Diskussion um jene angestoßen: Ist "deine Mutter" einfach nur ein leerer Spruch oder ein persönlicher Diss? Ich denke der Schlüssel zur Lösung liegt hierbei in jedem selbst. Manche haben ihre leibhaftige Mutter vor Augen, wenn diese Worte fallen und regen sich schlussfolgernd darüber auf, dass der Gegner die arme Frau direkt beleidigt. Dies soll ja oftmals der psychologische Effekt einer solchen Mutterzeile sein. Andere kennen bereits den besagten Effekt und münzen den Diss auf sich selbst um. Ich für meinen Teil, sehe das gelassen. Ich weiß, wer meine Mutter ist, was sie macht und meistens auch, wo sie sich im Moment meiner Battles aufhält. Von daher ist sowas weder ein Diss gegen meine Mutter, noch ein Diss gegen mich. Denn ich kann mir 100% sicher sein, dass alles, was mein Gegner gerade über meine Mutter sagt, absoluter Schwachsinn und nur ein Produkt dessen Fantasie ist. Ob ich ihm diese Fantasien übel nehmen soll? Nein, denn die meisten Gegner kennen meine Mutter nicht mal flüchtig, was sogar solche Fantasien noch irrelevanter macht. Das Gleiche gilt für mich auch für "dein/e <insert random family member here>"-Bars.



Jedoch gibt es für mich einen Grund Muttersprüche aus Battles rauszuhalten: Sie sind uralt und langweilig! Seit Jahren lebt die Freestyle- und Written-Battle-Szene von solchen Sprüchen. Es gibt selten irgendeine plumpe Beleidigung in diese Richtung, die ich nicht schon mindestens drei mal mit ähnlichem Aufbau gehört habe. In England oder den Staaten wird so etwas bereits mit "ultra-wack" abgestempelt. Deshalb ist es für mich unbegreiflich, warum viele Leute solche Zeilen immer noch für "dope" befinden. Ich feiere eine Mutterzeile auch gern, wenn sie abstrakt und in völlig neuer Struktur aufgebaut ist oder wenn sie aus dem Kontext entsteht. Ich feiere sogar manche die totaler Blödsinn sind, wenn dieser Blödsinn auch als Stilmittel im Gesamtpaket verwendet wird. Aber allein die Worte "Deine Mutter" machen noch keine Punchline! Und solange Battle-MCs und -Fans das nicht begreifen, wird es schwierig Battlerap in Deutschland auf ein anderes (tiefergehendes, persönliches, aber auch differenzierteres) Niveau zu heben. Message: Just let go of it!

Der Kern der Zwiebel

Was kann man denn nun eigentlich als persönlich bezeichnen? Nun kommt die letzte Schicht, die abgerissen werden muss, um zum Kern zu gelangen. Ja, ich spreche vom Menschen hinter der Kunstfigur. Da kommen meiner Meinung nach die wahren Personal-Bars. Hier spricht man von den Dingen, die der Gegner in seinem wahren Leben tut. Beruf, Freizeit, Familie, Freunde, Religion, Politik, Moral, Sex und so weiter. Meistens dreht es sich um persönliche Beziehungen oder verwerfliche moralische Ansichten des Gegners.

Ein Musterbeispiel wäre hier mein Battle gegen Mighty P:



(Don't Let The Label Label You 2013 - Brian Damage vs Mighty P)

Bei diesem Battle habe ich die komplette dritte Runde dafür verwendet, über den Tod seines Vaters zu sprechen. Dabei habe ich kein einziges Mal seinen Vater beleidigt oder attackiert, sondern wollte Mighty lediglich mit seiner eigenen Einstellung gegenüber seinem Vater konfrontieren. Damit gehe ich auf einige, äußerst fragwürdige Aussagen aus einem Lied von Mighty ein, in dem er von seinem Vater erzählt. Dummerweise habe ich vergessen in meinem Part zu erklären, dass ich mich auf dieses Lied beziehe. Ich war mir sicher, dass der Zuschauer meine Stilmittel erkennt und die Aussage begreift, die mit der ersten und der letzten Zeile zusammengeführt wird.
Jetzt der Punkt: Ich gehe doch dorthin, um einem Unbekannten zu sagen, was mir an ihm nicht gefällt, oder?! Genau das habe ich getan! Mighty hatte mit seinem Track die Situation bereits öffentlich dargestellt, also zeigt er selbst, dass er seine Gedanken darüber teilen möchte. Ich habe diese Möglichkeit genutzt und hatte an einigen seiner Meinungen etwas auszusetzen. Soll ich vielleicht darauf verzichten, weil man das Thema "Tod" nicht in der Öffentlichkeit anspricht? Nein, ich hatte ein Anliegen zu einem Thema, welches mich selbst bewegt, da ich auch Erfahrungen damit gemacht habe. Und da ist es mir wichtiger, etwas relevantes über meinen Gegner zu sagen und ihm meine Kritik zu diesem Thema mit auf den Weg zu geben, anstatt dumme Witze zur allgemeinen Belustigung zu reißen. Ferner kann ich sogar noch die Zuschauer zum Nachdenken oder zu einer Diskussion anregen.

Es gibt Leute, die sagen, dass hier eine Grenze überschritten wird, weil man nicht mehr nur den MC an sich kritisiert, sondern auch das wahre Leben des Menschen, der ihn verkörpert. Und das darf man nicht, weil das ja nichts mehr mit Hip Hop zu tun hat. Meistens sind das dann auch die Leute, die sagen es wäre unreal einen Track zu machen, der nicht vom wahren Leben handelt (wer sich angesprochen fühlt, sollte die Definition von "Antithese" nachschlagen). In anderen Ländern werden Personals (ganz im Gegensatz zu Deutschland) sogar sehr gefeiert, da z.B. Engländer, Amis oder Kanadier es als Pflicht sehen, die moralische Haltung und das Privatleben eines Rappers zu inspizieren, um herauszufinden ob der Rapper denn wirklich so toll ist, wie er sich präsentiert.



(Don't Flop 2012 - Jefferson Price vs Caustic)

In diesem Don't Flop-Battle zwischen Caustic und Jefferson Price, spricht Caustic in seiner dritten Runde darüber, dass Price seiner voluminöseren Verlobten anscheinend öfters fremdgeht. Er nennt sogar noch die Namen der Mädchen mit denen Jefferson Price seine Angebetete betrogen haben soll. Es mag vielleicht krass aussehen und es dringt durchaus tief in das Privatleben des MCs ein, aber auch hier hat Caustic nicht mehr getan, als die Einstellung seines Gegners zu kritisieren und dessen Moral in Frage zu stellen. Dies tut er wahrscheinlich auch, um den Leuten zu zeigen, dass sein Gegner einer der Sorte Menschen ist, deren Ideologien man nicht folgen sollte.

Ist es nun also wirklich verwerflich, wenn man in einem Battle auf den Menschen mit Personals eingeht? Battlerap ist weder Theater, noch das wahre Leben. Es ist beides gleichzeitig. D.h. ein MC ist zwar nur eine Kunstfigur in der Öffentlichkeit, aber dennoch entscheidet der Mensch dahinter, wie er seine Kunstfigur zum Leben erweckt und sie dem Pöbel präsentiert. Also steckt in jedem Rapper nicht nur ein Bühnencharakter, sondern auch der Mensch, der ihn erschaffen hat. Folglich wird der Mensch hinter der Figur miteinbezogen, darf also auch kritisiert werden. Aber gerade deshalb, sollte man seinen eigenen Menschen beim dissen nicht vergessen. Schließlich überträgt man die eigenen moralischen Ansätze mit jeder Punchline ein bisschen auf seine Figur. Darum ist es sehr wichtig für sich selbst zu differenzieren, ob man gerade Theater spielt oder es ernst meint. Ob man das für ein Publikum deutlich machen sollte, kann ich nicht sagen. Manchmal kann es auch sehr interessant werden, wenn einem Publikum die Entscheidung selbst überlassen bleibt, um vielleicht auch die Zuschauer zum nachdenken anzuregen oder sie zu testen.


"Ben sagt: Hol dir deinen Fame!". Doch du holst ihn nicht.
Du holst ihm den Fame, den er nich' bekam mit seinem eigenen Kaoslogeshit!"

(Laas Unlimited - Laas Unlimited vs Drob Dynamic)

Das Fazit

Prinzipiell finde ich, darf in einem Battle ALLES gesagt werden. Ob man das dann gut findet, liegt an den eigenen Ansichten. Genauso sollte ein MC wissen, ob er beim Punchline schreiben Grenzen zieht oder seine moralische Haltung für ein Battle über Bord wirft. Und genau hier zieht jeder für sich selbst die Grenze, egal ob MC oder Zuschauer. Jedoch bin ich der Meinung, dass sinnloses Beleidigen (egal ob persönlich oder unpersönlich) auch kein Weg ist zu einem guten Battle ist. Ein Battle-MC sollte sich nie zu weit von seiner menschlichen Einstellung entfernen, da sonst die Gefahr besteht sich selbst zu verlieren. 
Aber ein Battle ist nunmal kein Stand-Up Comedy, sondern war schon immer erfüllt von Moral-, sozialer und menschlicher Kritik. Und gerade die persönlichen Punchlines bieten eine Plattform für Selbstreflexion sowie die Möglichkeit ein Statement an eine größere Masse zu richten. Wer denkt, dass er nur zum Lachen auf ein Battlerap-Event geht, ist fehl am Platz. Da darf es ruhig mal persönlicher zugehen, denn hinter jedem MC steht ein Mensch, der den MC erst ausfüllt. Generell bin ich der Meinung, dass guter Gegnerbezug beim Pre-Written-Battle immer wichtig ist, denn wozu macht man sonst ein Battle gegen einen bestimmten MC. Aber wie bei allem im Leben sollte man immer die Balance halten.

Ich habe versucht dieses komplexe Thema so gut es ging zu analysieren und für andere und mich selbst greifbarer zu machen. Ich denke mal damit habe ich wohl den schwierigsten und längsten Artikel meines Blogs auch schon hinter mir (in der zweiten Woche... juhu!). Aber das wichtigste im Battlerap ist doch, dass am Ende des Tages über Skills gestaunt werden kann, egal ob mit Generic-Bars oder Personals.

Brian Damage



Montag, 7. April 2014

Willkommen bei "Germany goes Battlerap"!


"Ruf mich vor der Arbeit an, ich battle dich in Shorts!"
(King Kool Savas - King of Rap)  
Warum dieser Blog? - Eine kleine Historie

Battlerap ist in meinen Augen eine der größeren Wiegen des Rap an sich. Ende der 70er Jahre und Anfang der 80er fingen MCs, aber auch normale Leute aus der New Yorker Hood damit an, sich in Reimform zu beschimpfen und somit Differenzen auszutragen und beizulegen. Dies war besonders für die Drogenbosse angenehmer, als Schlägereien oder gar Schießereien, die mit Sicherheit die Polizei angezogen hätten. Wer konnte damals ahnen, dass so nicht nur eine neue Art zu rappen entstand, sondern sich daraus ca. 20 Jahre später ein fast eigener Kulturkreis im Hip Hop entwickeln sollte.

Jetzt hat sich das Ganze im Laufe der Jahre ja erstmal Stück für Stück verändert. Man sprach mit mehr Aggression über Politik, Schimpfwörter fanden ihren Weg in Raptexte, man Griff persönliche Feinde innerhalb und außerhalb des Hip Hop an. Als man dann Ende der 80er auch noch den Pitchfader von 120bpm in Richtung 90bpm bewegte, ließen Beats sogar Platz für richtig viele Battle-Floskeln. Lord Finesse, Ice Cube und Wu-Tang freundeten uns schonmal durch ganze Alben mit dieser Materie an. 

Nun, da Rap im Laufe der 80er in der Musikindustrie endgültig angekommen war, konnte man ja auch diese Battlerap-Sache auf ein sportliches und eventuell sogar vermarktbares Level heben. Was also früher knallharte, der Realität entsprechende Wortgefechte waren, wurde nun in sportlichem Umfeld als sog. "Freestyle-Battles" veranstaltet. Besonders Anfang der 90er konnte man fast jeden Monat (in jedem Land in dem Hip Hop schon angekommen war) eines dieser Freestyle-Battles verfolgen. Dort wurden dann schon die ersten "You are wack...!"-Bars rausgehauen. In Deutschland verhielt man sich hingegen noch sehr friedlich, da bestand eigentlich kaum ein Unterschied zwischen Battle und Cypher. Ich hab mal Videos von solchen "Battles" gesehen...daneben erinnert ein heutiger Poetry Slam eher an den Text des Arschficksongs. Aber immerhin war Battlerap schon mal hier angekommen.

Während also 1993 Die Deutsche Reimachse noch "100% Positiv" war, hieß es 1994 bei Konkret Finn bereits "Ich diss dich". Über weitere Kandidaten wie Rödelheim Hartreim Projekt, KKS und Samy Deluxe ging es gegen Ende der 90er nun auch immer mehr in Richtung dessen, was wir heute als Battlerap in Deutschland kennen.

Die Amerikaner (wie immer anscheinend) waren unserer Zeit jedoch schon voraus. Dort hatte sich der Freestylerap dank Plattformen wie "Rap Olympics" und "Scribble Jam" bereits zu einem Nationalsport im Hip Hop entwickelt. Die Amis waren Ende der 90er fast schon gelangweilt von den sich wiederholenden Freestyle-Phrasen. Auch ein Eminem hat gerne mal mehrere geschriebene Zeilen eingearbeitet, um sich so das Spotlight (trotz des 2. Platzes) zu garantieren. Ich sage nur: "You wouldn't sell two copies, if...". Nun, was machen, wenn immer mehr Freestyle-Battles von sog. "Written-Bars" dominiert werden? Naja...diese Written-Bars zur Hauptsache machen. Da wären wir dann schon Anfang der 2000er angelangt. Nämlich bei den ersten Acapella-Pre-Written-Battles (also vorgeschriebenen Battles ohne Beat) von den berühmten "Smack" DVDs. Was auf diesen DVDs noch sehr amateurhaft betrieben wurde (ich spreche von Bild und Ton Quali sowie Organisation), hat der New Yorker "Fight Klub" dann schon professioneller gemacht und war Mitte der 2000er nicht mehr nur auf DVDs zu sehen, sondern sogar auf einer damals kleinen Videoplattform namens Youtube.



(Scribble Jam 1997 - Eminem)



(Smack DVD Vol. 12 - Cover)


(Fight Klub 2005 - MC Jin)

Tja, da wären wir schon Mitten im Acapella-Battlerap. Es gab noch einen letzten, auch durchaus erfolgreichen Versuch von der britischen Plattform "JumpOff", Freestyle-Battlerap wieder zu beleben (2006/2007). Mit den 2on2 "World Rap Championships" wurde Material geschaffen, welches für die Ewigkeit gemacht war,...in Sachen Written- und Freestylerap. Damit sollte sie in den USA auch enden, die große Ära des Freestylerap. Während sie in Deutschland noch voll in Fahrt war, dank "Out4Fame" und ihren "1on1 Freestyle-Battles". Allerdings war hier die Prime-Time auch schon vorbei und im Jahre 2007 erschien die vorerst letzte DVD. Danach gab es noch weitere klägliche Versuche dieses Projekt weiter zu führen. Aufgrund chaotischer Organisation, schwacher Besucherzahlen und nicht veröffentlichter DVDs, hinterließ Out4Fame hauptsächlich enttäuschte MCs und Fans. Mir wurde damals, nach Gewinn des Städtefinales in München auch noch versichert, dass ich auf der kommenden DVD zu sehen sein werde...blablabla.


(World Rap Championships 2007 - Werbebanner)

Und dann war da ja noch "Feuer über Deutschland", ein eher trauriger Versuch das Format der Smack DVDs ins Land der Dichter und Denker zu bringen. Ach ja,...manchmal wirkte es auch eher wie das Vortragen eines Gedichtes. Z.B. wenn ein Tua sein Textblatt herausholt, weil er sich die eigenen Lyrics nicht merken kann...und das mit dem Wissen, dass mehrere Kameras dies für die Ewigkeit festhalten (ähhm...Punchline!). Andere Male wirkte es, als hätten einige Rapper das Wort "Acapella" komplett missachtet. Ein Casper rappt dann einfach mal auf den Beat, den er gerade im Kopf hat (wohlgemerkt in einer Hip Hop Montur, die der von Savas Konkurrenz machen kann...ähhm...noch mal Punchline!). Aber es gab auch einige, die das Prinzip durchaus verstanden haben. Gregpipe, Adi, Morlockk Dilemma und Creme Fresh sollten damals mit ihren Performances eine lang anhaltende Messlatte in Sachen Acapella-Rap legen. Es gab auch ein bis zwei private Kopieformate von FüD. Auch hieran konnte man erkennen, dass die Sehnsucht nach einem solchen Format inzwischen groß war.



(Feuer über Deutschland 2006  - Cover)

In den USA ging es im Jahre 2007 inzwischen los mit der ersten, voll über Youtube laufenden Acapella-Pre-Written-Battlerap-Liga "Grind Time Now". Der junge und ambitionierte Hobby-Unternehmer Drect, startete mit seiner eigenen Kamera ein Spaß-Projekt, durch welches Leute wie Dizaster, Illmaculate, TheSaurus, Dumbfoundead, DNA, Soul Khan, etc. für immer in die Geschichte des Battlerap eingehen sollten. Grind Time inspirierte schließlich auch in anderen Ländern zur Gründung von Battlerap-Ligen, wie "King Of The Dot" aus Kanada oder "Don't Flop" aus England. Auch der gute alte Smack White (hatte sich vermutlich von selbigem erholt) eröffnete eine Plattform für Battlerap namens "Ultimate Rap League - URL", die für ihre "Gun-Bars" berüchtigt werden würde. 


(Grind Time Now 2010 - Werbebanner)


(King Of The Dot 2012 - Canibus vs Dizaster)

Nun schreiben wir bereits das Jahr 2010. Grind Time lässt seine Hochzeit bereits hinter sich, bei KOTD und Don't Flop fängt diese gerade erst an; da passierte anscheinend auch in Deutschland wieder etwas, im Bereich Schlacht-Rhytmus und Poesie. Die dritte FüD DVD ist bereits zwei Jahre her, da erscheinen auf Youtube plötzlich ominöse Videos, in einem Berliner Heizungskeller gefilmt (wie mir scheint). Diese Videos entpuppen sich nach einiger Zeit als Wiederbelebungsversuch der legendären Berliner Cypher "Rap am Mittwoch". Nur dreht sich diesmal alles viel mehr ums Battlen. Es gibt sogar Acapella Runden. Und das auch noch alle zwei Wochen?! Die Qualität von Kameras und Rappern wird auch immer besser und das Format wächst ständig. Jetzt kommt aber wieder ein eher nerviger Punkt: Man muss sich da erst ins Finale battlen, um ein Acapella kicken zu dürfen. Danach soll man dann auch noch den amtierenden King vom Thron stoßen. Leider weiß der Träger des King Titels nicht genau wen er battled, weshalb sich die meisten Punchlines der ersten 2 Saisons auf Mutterwitze beschränken. Und die waren nach dem Einlaufen eines gewissen "Atzenkalle" sehr schnell ausgelutscht, da jener Rapper Mutterwitze gepachtet zu haben schien. Das alles macht RaM auch noch nicht zu dem, was ich seit ca. 2009 aus den Staaten gewohnt bin. Allerdings darf RaM von sich behaupten die erste regelmäßige Battlerap-Veranstaltung Deutschlands zu sein. Ein kleiner Schritt für Deutschland, aber ein großer für Battlerap.



(Rap am Mittwoch 2010 - Logo)


(Rap am Mittwoch 2012 - Atzenkalle vs MC Bogy)

Bei RaM wird ca. drei Jahre lang um King Titel gebattled, bis ins Jahr 2013. Im August findet man plötzlich wieder was Neues auf Youtube...! Einen Trailer zu einem Acapella-Written-Battle. Kann das denn wirklich sein? Ausschließlich Pre-Written-Battles, bei denen sich die Gegner kennen und sich so richtig persönlich einschenken können?! Es ist tatsächlich so! Im September 2013 öffnet die freie Internetplattform "Don't Let The Label Label You" die Pforten zu einem Battlerap-Event nach amerikanischem oder eher englischem (Don't Flop) Vorbild und schafft somit die erste offizielle Acapella-Pre-Written-Battlerap-Liga Deutschlands. Zwei Wochen später gibt es auch bei RaM ein Acapella-Pre-Written Battle pro Event, bei dem sich die Kontrahenten kennen: die sog. "Battlemania Champions League". Während bei RaM allerdings noch die Mischung aus Freestylebattles und einem einzigen Pre-Written-Battle besteht, konzentriert sich DLTLLY voll auf das geschriebene Format. Und das mit rasendem Erfolg. Denn nach nur drei Veranstaltungen steigen Facebook-Likes und -Klicks bereits um ein Vielfaches.



(Don't Let The Label Label You 2012 - Logo)


(Don't Let The Label Label You 2013 - Flyer)



(Don't Let The Label Label You 2014 - Brian Damage & Harry Crotch vs Roni 87 & Proton)

Jetzt zur Beantwortung der Frage in der Überschrift:
Wie man sieht war es ein langer Weg bis hier hin. Doch erst wenn man ihn kennt, versteht man, wie viel Hintergrund diese besondere Kunstform bereits besitzt, um sich auch als solche bezeichnen zu dürfen. Battlerap ist noch jung in Deutschland. Aber ich denke die Szene ist im Umbruch und die Zeit definitiv reif, sich näher mit der Materie zu beschäftigen.
Deshalb auch dieser Blog! Konzentrieren möchte ich mich hierbei auf Acapella-Written Battles. Wobei mein Augenmerk natürlich auf deutschem Live-Battlerap liegt (ich werde nicht von jedem Disstrack im Netz oder diesem VBT Quatsch schreiben). Allerdings werde ich auch einfach mal aufnehmen was mir gefällt, auch wenn es sich nicht um Written-Battlerap handelt. Mit all meinem journalistischen Talent bemüht, das hier möglichst informativ zu gestalten, werde ich mindestens einen Artikel pro Monat verfassen. 

In diesem Sinne hoffe ich, dass jeder Leser ein wenig Gefallen findet an dem, was mich die letzten sieben Jahre schon begeistert.

Brian Damage