Montag, 8. September 2014

Bettelrep? Wot is sis? - 10 Englische Battles für Anfänger


(King Of The Dot 2011 - Dizaster vs DNA)

Nachdem ich vor zwei Wochen eine Top 10 der deutschen Battles gemacht habe, habe ich mich entschlossen gleich eine weitere Liste hinterher zu schießen. Diesmal handelt es sich aber um englischsprachige Battles. Es gibt ja inzwischen 10 000 Listen, in denen die anscheinend besten Battles aufgeführt sind und da möchte ich nicht ein weiteres Reiskorn ins Feld werfen. Stattdessen liste ich hier 10 englischsprachige Battles auf, die leicht zu verstehen und gleichzeitig gut sind. So können vielleicht auch die weniger begabten Englischsprecher sich ein wenig mehr in den Kult des Battlerap hineinarbeiten. Ich habe besonders darauf geachtet, dass nicht zu viele komplizierte Wortspiele oder Referenzen enthalten sind, denn laut Erfahrung geht bei solchen Sachen oft das Verständnis verloren.

Es geht jedoch nicht nur um das Sprachverständnis, vielmehr möchte ich auch zeigen, was alles in so einem Battle möglich ist. Denn in diesem Punkt sind uns die Amis, Engländer, Kanadier, etc. immer noch ein ganzes Stück voraus. Die Liste ist nicht sortiert, ich werde einfach 10 Battles hintereinander hängen. Welches das Beste oder das Schlechteste ist, soll jeder für sich entscheiden. In diesem Sinne: Have fun!

Dumfoundead vs Tantrum (Grind Time Now)



Einer DER KLASSIKER schlechthin. Hier verliert das Wort 'Rassismus' jegliche Bedeutung (hehe). Zwei Asiaten battlen sich und bedienen sich jeglicher Klischees, die es überhaupt gibt. Dabei sind beide jedoch ausgesprochen kreativ und originell... und vor allem überlustig! Dieses Battle gibt es auch in zwei Teilen mit Judgement zu sehen. Grind Time hat es noch einmal zusammengeschnitten und als Vollversion allerdings ohne Judges hochgeladen. Allein der ursprünglich erste Part des Battles hat schon 1,9 Mio. Views. Und das verdient, da beide wirklich abreißen. Während Tantrum dieses Jahr sein Comeback als Top Battler feiern konnte, hat sich Dumbfoundead seiner musikalischen Karriere zugewandt. Amerikaweit bekannt wurde er durch seinen Part auf dem "Forever Remix".

Kid Twist vs Dumbfoundead (King Of The Dot)



Und gleich noch ein Battle von Dumbfoundead. Auch hier sind Asian Jokes die Parole seitens Kid Twist. Allerdings auch wieder sehr originell. Was Dumbfoundead hier jedoch anstellt, ist wiederum total abgefahren und verleiht der Begegnung eine Extra-Note. Beachtlich auf beiden Seiten: Hier freestylen sich beide einen Wolf. Allein die Flips machen dieses Battle zu einem Classic. Ferner ist quasi jede zweite Line eine Punch und das ist heutzutage eher selten geworden. Untertitel: Zack, zack... bumm!

Dizaster vs HFK (King Of The Dot)



Dieses Battle ist fast immer das erste, das ich jemandem zeige, der keine Ahnung von Battlerap hat. Hier passiert fast alles, was ein unterhaltsames Battle ausmacht. Witzig, punchig und tolle Präsenz. Diz und HFK variieren hierbei zwischen so vielen Ebenen, dass es nie langweilig wird. Es stecken zwar einige Referenzen zu anderen Battles drin, aber gerade die verlocken dann auch zum Gucken von anderen Matches. Dennoch hab ich noch nie erlebt, das jemand nicht lachen musste bei dieser Begegnung. Es werden auch Klischees bedient, aber eben lyrisch so ausgefeilt und witzig, dass es niemanden kalt lässt. Besonders in der dritten Runde zeigt Dizaster, warum er ein Killer in Sachen Freestyle ist. Andererseits hat HFK mit seiner ersten Runde bewiesen, wie gut er schreiben kann, wenn er will. Wahrlich ein 'Terrorist-Battle' mit Bomben, die die Lachmuskeln in die Luft sprengen.


Shuffle-T & Marlo vs Marvwon & Quest MCody (Don't Flop)



Jetzt mal zu einem 2on2. Hier treffen die derzeitigen Don't Flop 2on2 Champions auf die Battle-Veteranen aus den Staaten. Wo die Amerikaner leider enttäuschen, zeigen Marlo und Shuffle-T wie weit sich Battlerap inzwischen entwickelt hat und dass es mehr bedarf als bloß des Talents reimen zu können. Mit ihrem klaren Akzent sind die beiden Engländer auch sehr leicht zu verstehen. Performance-technisch eine definitive Rasur! Nicht nur, dass beide lyrisch viele Rapper in die Tasche stecken (obwohl sie gar nicht rappen), sondern angsteinflößend wird es, wenn zwei Posh-Boys aus England bessere Wortspiele haben als so mancher Gangster-Battle-Rapper bei SMACK/URL. Es gibt noch wesentlich anspruchsvollere Battles von den beiden, allerdings ist dieses Match ein leichter Einstieg in guten dreckigen englischen Humor. 


Pat Stay vs The Saurus (King Of The Dot)



Jetzt geht's langsam ans Eingemachte! Pat Stay ist z.Z. unumstritten einer der drei besten Battlerapper der Welt. Und wie er es an diese Stelle geschafft hat, sieht man deutlich an diesem Battle. Seine Präsenz, seine Coolness, sein Humor, seine Aggression und die Fähigkeit zwischen all diesen Stimmungen mit einem Augenzwinkern zu switchen, machen ihn zu einem absoluten Top-Tier. Umwerfend finde ich persönlich auch seine Art zu schreiben: ein Thema so zu drehen, dass jeder es glaubt und die Punchlines wie von alleine kommen. Das zeugt von Klasse. Und noch dazu wirkt alles so locker. Vor allem gegen einen Gegner wie The Saurus, den man auf jeden Fall auch zu den besten 10 der Welt zählen kann. Lyrisch zeigt der Battle-Opa hier auch wie fit er noch ist. Auf beiden Seiten geht es auch richtig persönlich zur Sache, was das Battle noch besser macht in meinen Augen. Hier wird es mit der Verständlichkeit denke ich schon schwieriger, aber dieses Battle macht Hunger auf mehr... versprochen!

Tricky P & Charron vs Soul Khan & Kap Kallous

(King Of The Dot)



Hier ein weiteres 2on2, diesmal von KOTD. Hier sind gleich drei gute Battle-MCs vertreten: Charron, Soul Khan und Tricky P. Kap Kallous hat zwar eine solide Leistung gezeigt, ist jedoch lange nicht so etabliert wie die anderen. Soul Khan ist schon vor Acapella-Battles eine Untergrund-Legende in New York gewesen, der erfolgreich Freestyle-Battles gewonnen hat und seine Musik im New Yorker Raum bekannt machen konnte. Er zeigt hier nicht nur seine Entertainer-Qualitäten sondern ebenso, dass er es mit dem jungen Gemüse der Neuzeit jeden Tag aufs Neue aufnehmen kann. Dieses junge Gemüse lässt sich aber nicht leicht zerhacken! Tricky und Charron, der im Laufe des letzten Jahres zu einem der Top 10 Battle-Rapper der Welt aufgestiegen ist, zeigen was eine gute Team-Performance ist. Abwechslung und Unterhaltungsfaktor sind beide top. Tricky unterhält gut mit seiner ihm eigenen Betonung (die Soul Khan auch super parodiert) und Charron zeigt, wie on-point seine Lines schon damals waren. Definitiv ein Battle zum Durchgucken!


Lunar C vs Uno Lavoz (Don't Flop)



War ja klar, dass Uno Lavoz in einer Liste landet, in der es um Verständlichkeit von englischen Battles geht. Lol. Aber wie sollte man seinen simplen und dennoch sehr gut durchdachten Humor nicht feiern?! Keine großen Wortspiele, keine besonders interessanten Reime aber Sprüche bis zum Abwinken und wahnsinnig lustige Punchlines (bei denen Uno auch permanent selber lacht). Diese Mischung machen aus ihm DEN Charakter in Sachen Comedy-Battlerap. Ihm gegenüber steht hier einer der meistgeguckten MCs bei Don't Flop: Lunar C. Und das obwohl er nur sechs Battles hatte (!). Seine Punchlines und sein bodenlos dreckiger Humor gepaart mit einer vorzüglichen Technik zeigen auch warum. Er hat mit seinem Stil ein langersehntes Element zu DF gebracht: ein authentischer MC mit starken Punches und einer dreckigen Schnauze! Leider hat Lunar seine Karriere als Battlerapper an den Nagel gehängt und er wird auch nicht mehr zurückkommen (ließ er zumindest verlauten).


Dizaster vs Henry Bowers (Basementality)



Der Vielfältigkeit halber möchte ich gerne dieses Battle hinzufügen. Die schwedische Battleliga Basementality hat Dizaster geholt, um ihn gegen den (meiner Meinung nach) non-native speaker Henry Bowers antreten zu lassen. Der Schwede lässt kein Haar an einem hier sehr starken Diz und rasiert ihn ziemlich (im Gegensatz zu sich selbst... haha... obligatorischer Bartwitz). Diz wehrt sich jedoch mit einer übertrieben guten Delivery. Seine Punches sind zwar schnell erdacht, sitzen jedoch wie angegossen. Tja, das ist eben eine von Dizasters großen Stärken, nämlich unter ungewöhnlichen Umständen (im Ausland oder gegen ungewöhliche Gegner) völlig aus sich zu gehen. Die schwedische Liga bietet einige weitere interessante Matches. Und sie ist nicht allein: Neben Basementality existiert noch O-Zone, die auch mit vielen sehr guten englischen Battles glänzt. Reinziehen!

Hollohan vs Cortez (King Of The Dot)



Das ist schon etwas für Fortgeschrittene. Aber genau deswegen habe ich diese Begegnung in die Liste aufgenommen. Es ist leicht zu erkennen, welche Aggression hier im Raum schwebt. Dadurch steigt auch besonders in der dritten Runde die Intensität des Battles und das kann jeder sehen, hören und auch verstehen. Beide Rapper Cortez und Hollohan schlagen hart zu mit ihren Lines, dennoch ist es klar und verständlich. Hollohan, einer von KOTD's Top-Rappern kritisiert Cortez für gespieltes Gangsta-Image, wobei er es nicht versäumt, seine eigene Drogenvergangenheit geschickt gegen Cortez zu verwenden. Cortez hingegen zeigt hier wirklich sein A-Game. In der dritten Runde spricht er über einen der engsten Freunde von Hollohan, der einige Monate vor dem Battle an einer Überdosis Heroin gestorben ist. Die Art, wie er dieses Thema gleichzeitig delikat und aggressiv behandelt ist wahrlich beeindruckend und ein perfektes Beispiel für astreine Personals. Next-Level-Shit und ein Battle zum Studieren!


Canibus vs Dizaster (King Of The Dot)



Das beste kommt zum Schluss heißt es so schön (also doch... hehe)! Die meisten werden von diesem Battle bereits gehört haben. Es gibt jedoch immer noch Leute, die es noch nie gesehen haben. Von daher möchte ich es hiermit jedem dringend ans Herz legen. Ein richtig großer Industrie-Rapper tritt tatsächlich in den Ring, um sich zu messen oder um seine Karriere aufzupolieren. Gemeint ist hierbei Canibus, der sich selbst immer als Battle-MC bezeichnet hat und das mit Adjektiven wie: 'beste', 'göttlicher', 'einziger'... etc., ausgeschmückt hat. Je tiefer die Grube, desto schmerzhafter der Sturz. Als er wirklich zeigen konnte, ob er einer der besten Battlerapper ist, hat er seine Karriere mit dieser Performance inoffiziell beendet und sich ein Grab geschaufelt, aus dem er nicht mehr rauskommt (garantiert!). Er wurde schon von Eminem erfolgreich in einer Karrierekrise gebattled, aber seit dieser Geschichte ist sein Respekt in der gesamten Hip Hop Szene gegen null gegangen. Nicht zuletzt wegen der Art, wie Dizaster ihm den Gnadenstoß verpasst. Es hat eben auch fundierte Gründe, warum Diz drei mal in meiner Liste vertreten ist und besonders diese Begegnung macht jene Gründe deutlich. Er hat die Punchlines, die Delivery, die Struktur und ist obendrauf ein Freestyle-Monster! Das alles macht seine Performance zu einem Exempel für guten Battlerap (egal wie schlecht Canibus war).

Zusätzliche Tipps:

JollyJay vs D'Meitz (Don't Flop)

Charron vs Cruger (King Of The Dot)

Pat Stay vs Arcane (King Of The Dot)

The Saurus & Illmaculate vs Henry Bowers & Oshea (O-Zone)

Rone vs Nils M Skils (King Of The Dot)


Sooo Kinder...
Ich hoffe diese Auflistung macht Hunger auf mehr. Bei einigen der Matches sind Referenzen zu anderen Battles enthalten, die es sich auch lohnt anzusehen. Ebenso hoffe ich, dass alle Battles möglichst verständlich sind. Und selbst, wenn am Anfang nicht jede Zeile klar ist, macht das überhaupt nichts. Diese Battles machen es, denke ich einfach, die Punchlines zu erkennen. Darüber hinaus sollen sie einfach zeigen, wie viel Leidenschaft dahinter steckt und wie groß Battlerap bereits auf der Welt ist. Außerdem konnte ich bei mir selbst Folgendes feststellen: Je mehr englische Battles ich geguckt habe, desto besser wurde auch mein Vokabular und Sprachverständnis. Vielleicht entdeckt ja der ein oder andere auch so die englische Sprache ein bisschen für sich. Viel Spaß beim weiteren Glotzen!

Brian Damage


  

Montag, 1. September 2014

Top 10 - Die besten Battles in Deutschland


Dahh, dahh, daaahhh...

Es ist jetzt fast ein Jahr vergangen, seit Don't Let The Label Label You und Rap am Mittwoch die Pforten zu ihren Written-Battle-Ligen geöffnet haben. Darum habe ich mich entschlossen, jetzt Bilanz zu ziehen und nach einem Jahr Pre-Written-Battles die Top 10 zu küren. Das Ranking enthält nur die deutschen Pre-Written-Battles, weil es a) noch nicht so viele englische Battles auf deutschem Boden gab, b) weil es in diesem Blog ja auch hauptsächlich um deutschen Battlerap gehen soll, und c) weil es für englische Battles schon zahlreiche Top 10 von Blogs und Magazinen gibt, weshalb ich denke, dass es auch mal Zeit wird für eine deutsche Top 10 Liste (vor allem, da jetzt die Auswahl auch groß genug ist).

Die Liste werde ich immer mal wieder aktualisieren, oder vielleicht sogar eine neue erstellen, sodass die Aktualität beibehalten wird (Vielleicht muss ich ja Ende September noch einen Klassiker hinzufügen ^^). Aber nun genug geschwafelt..., kommen wir zum Eingemachten! Trommelwirbel... 3, 2, 1, LOS!

Platz 10:

Merlin vs Gozpel (Don't Let The Label Label You)


Gozpel ist generell einer meiner Lieblings-Battlerapper. Sein Humor und die wie er ihn präsentiert machen ihn fast schon zu einem Kabarettisten. Er ist ironisch, Schauspieler und trifft immer den Nerv der Zeit und der Zuschauer. Ganz nebenher hat er immer Wortspiele parat, die jeden die Augen aufreißen lassen. In diesem Fall war: "Und Digga, du bist nicht der Große nur weil du kahl bist.", eine solche Abriss-Line. Merlin hat sich wacker geschlagen, man merkt aber ebenso, dass er nicht sein A-Game gebracht hat. Dennoch serviert er wieder Merlin-typische Punches: "Du bist öfter in deim' Kid/K.I.T.T. gekommen als Micheal Knight." Wahnsinn. Der Moment, der für mich dieses Battle zu einem Beispiel für Battlerap macht kam aber erst in der dritten Runde von Gozpel. Nachdem er zahlreiche Bars auf Merlin's Lispeln bezogen gebracht hat, macht er Merlin ein Angebot, das einem Vertrag mit dem Paten gleicht... seht selbst. 

Platz 9:

Kurzer Prozess vs Hansen (Don't Let The Label Label You)


Lange Zeit war es das meistgeguckte Battle auf DLTLLY. Kein Wunder. Hier kam es zu einem Grudge-Match der Extraklasse. Hansen und Kurzer Prozess, die auch auf privater Ebene zu jener Zeit ein wenig zusammen gerauscht waren, scheuen hier auch nicht vor Personals. Hansen überzeugt hier mit Eigenheit und lyrisch außergewöhnlichen Schemes und packt auch eine gute Portion Humor mit rein. Kurzer Prozess lässt sich davon nicht beeindrucken und spricht frei heraus über Hansens letzte Beziehung. Er überragt jedoch mit seinen Punchlines und seiner Delivery. Die Alkoholismus Vorwürfe von Hansen weiß Kurzer Prozess gut für sich einzusetzen. Beste Line des Battles war jedoch mit Abstand die über den Festsaal Kreuzberg. Da dieses Battle kurz nach dem Brand stattfand, konnte man noch deutlich das 'Feuer' im Raum spüren.

Platz 8:

Harry Crotch vs Jack Dragon (Don't Let The Label Label You)



Eines der schwierigsten Battles, was Judgement angeht. Beide waren wahnsinnig stark. Harry's erste Runde ist eine tolle Vereinigung von Gegnerbezug und politischer Message. Das Thailand-Schema war sehr gut auf den Punkt gebracht. Hierbei zeigt er sein Pengame mit: "Er will auf dem Weg in das Morgen Land gewinn', wie die Seidenstraße." Auch sein Kay One/Kai Wang Rebuttal zeigt, wie begnadet er mit Worten umgehen kann. Jack Dragon spricht zunächst über Harry als Uno Lavoz Fan und benutzt dazu ein ausgedehntes Mutter-Scheme. Jetzt kommt allerdings für mich der Knaller, des Battles: In seiner zweiten Runde wird Jack sehr persönlich und spricht über die Ex-Freundin von Harry. Und das Ganze mit Wordplay, das so gut auf den Punkt gebracht ist, dass jeder im Saal mitfühlt (siehe Fatoni's Gesicht). Trotzdem kommt Harry Crotch souverän mit Asiaten-Jokes und Midget-Jokes zurück, wobei vor allem sein von ihm erfundener Witz mich vom Stuhl fallen lässt. Auch in der dritten Runde feuern beide weiter aufeinander ein. Wo Jack mit Reimschemata auftritt, schlägt Crotch zurück, mit persönlicheren Lines auf dessen Rapkarriere bezogen. Harry Crotch insgesamt mit mehr Gegnerbezug und stärkerem Wordplay, aber an manchen Stellen zittriger Delivery. Aber Jack Dragon mit einer sagenhaft guten zweiten Runde und mehr Sicherheit in der Performance. Bis heute fällt es mir schwer einen klaren Sieger zu küren.

Platz 7:

Brian Damage vs Drob Dynamic (Rap am Mittoch)


Aus dieser Begegnung kann man viel über Battlerap lernen, weshalb ich sie auch in diese Liste aufgenommen habe. Als erstes zu Drob: Er gefiel mir hier von der Struktur her teilweise besser als in den King Battles, da er auch ein wenig seriöser wurde und nicht nur Witze gerissen hat. Er hat meine eigenen Aussagen geschickt gegen mich verwendet, indem er über meine Herkunft als Bayer und meinen verstorbenen Großvater spricht. Bei den bayrischen Bars besinnt er sich seines Humors und spannt selbst meine Lachmuskeln an. Großes Minus war jedoch der Punch-Faktor. Seine Pointen waren ungenügend oder zu langatmig ausformuliert, es gab kaum Punches und wenn schienen sie ein wenig gezwungen. Der größte Minus Punkt war jedoch ein Riesen-Choke von über einer Minute in der zweiten Runde. Dieser wurde aber auch zu einem großen Pluspunkt, da der Dynamische es danach geschafft hat, die Crowd zurückzugewinnen und das ist etwas, das nicht jedem gelingt! Zu meiner Wenigkeit übergehend kann ich sagen, das ich insgesamt bei diesem Battle vor allem mit meiner Schreibleistung zufrieden war. Mit ein paar Dickenwitzen konnte ich die Crowd gut anheizen, um auf ernstere Themen zu kommen. Leider gingen einige Wortspiele einfach unter, wie: "Dieses Battle ist für dich das Ende des Stücks/Styx!" oder "...Umhang, Clark Kent, Superheld". Doch erst die Art wie Detektiv Brian (^^) in der dritten Runde den Fall des Bitens löst, macht diese zum Highlight des gesamten Battles. Die anschließende Anklage, dass man sowas im Hip Hop nicht macht und der Vergleich mit Marcel Reich-Ranicki setzt dem ganzen den Hut auf. Hier wurde das Battle auch einzigartig, da zum ersten Mal über Biten gesprochen wird und das dann auch noch total direkt und ohne Gnade an die Öffentlichkeit gebracht wurde. Negativ: Das Battle etwas zu lang. Leider ist es auch nicht ausgeglichen. Hier überwiegt die Einzelleistung doch mehr, was einem Battle letzten Endes meistens eher schadet, das es zu eindeutig wird. Trotzdem kann ich sagen, dass Drob sich hier auch als MC beweist, indem er sich von seinem Choke nicht rausbringen lässt und es schafft weiterzumachen. Alles in Allem ein sehenswertes Match, das definitiv Diskussionsstoff geliefert hat und es hoffentlich weiterhin tut.

Platz 6:

Merlin vs Mighty P (Don't Let The Label Label You)


Ja, ja Mighty P vs Merlin. Es ist inzwischen ein Standard geworden. Der Moment als Veteran Merlin (ehemals Aggro Merlin) wieder die große Bühne der deutschen Battleszene betrat. Mighty P hat zwar mit seiner Zeile: "Er is' ein niedlicher Rapper mit 'nem voll ßüßen ßprachfehler", eine Schatztruhe geöffnet, diese dann aber leider nicht ausgeschlachtet. Seine Delivery war erfrischend lustig, jedoch ist ein Choke in der dritten Runde tödlich gegen einen wie Merlin. Der hat es Punchlines prasseln lassen. Mit einem Harry Potter Schema eine tolle erste Runde hingelegt, ging es über Mighty's Freundin schließlich (wie immer) zu seinem toten Vater. Die Line: "...kurz bevor du seine offenen Arme erreichst, beleb' ich dich wieder.", war dennoch so wahnsinnig gut, dass selbst Mighty P nichts mehr sagen konnte. Der trockene Humor von Merlin, sowie seine lässige Delivery runden dieses Battle ab und machen jede seiner Runden zu einem Highlight. Leider ist das hier nur eine Einzelleistung von Merlin, aber die Punchlinedichte in jeder einzelnen Runde von ihm ist so hoch, wie bei vielen Rappern in 3 Runden zusammen.

Platz 5:

Johnny Rakete vs Duff (Don't Let The Label Label You)


Dieses Battle hat jeder eingefleischter Battlefan bereits drei Mal gesehen. Wetten?! Johnny Rakete der Hobby Jesus gegen den Giftzwerg aus Westfalen, Duff. Letzterer unterhält mich mit seinem Auftreten schon: hat alle Zeit der Welt, rotzfrech und ein Mundwerk das nur sabbert vor Sprücheklopferei. Toll. Duff's "Johnny Trompete" wurde tatsächlich zu Rakete's neuem Spitznamen. Er benutzt den jungen Mann ganz einfach als Wischmob und schickt ihn auf die Bretter, sodass dieser nicht mehr Kurve kriegt "wie Michael Schumacher". Seine Live-Erfahrung lässt ihn dabei sehr souverän wirken. Johnny Rakete andererseits zeichnet sich fast als Alleinunterhalter aus. Er spricht die Crowd direkt an, und führt die Leute in seinem Dasein als Battlerap-Christus. Allein sein Einstieg "...ist mein Schwanz noch groß genug, um deiner Mom das Herz zu brechen.", ist bereits eine der besten Punches des Abends. Als er später noch Duff mit dem Ball vergleicht auf dem Miley Cyrus schwingt, brennt die Hütte. Dieses Battle ist für mich ein Paradebeispiel für eine ausgeglichene Begegnung. Man kann es sich mühelos am Stück anschauen, da beide Parteien so dope sind, dass man keine Line verpassen möchte. So muss das...

Platz 4:

Mighty Mo vs Fresh Polakke (Rap am Mittwoch)


Auch dieses Battle dürfte jedem inzwischen bekannt sein. Nicht umsonst sind die Views in so kurzer Zeit angestiegen. Mighty Mo unser Bääämster ist gegen Polakke voll in seinem Element und knallt mit seiner norddeutschen Trockenheit, gepaart mit richtig schön dreckiger Straßenattitüde, Punchlines um die Ohren. Da bääämst er einfach mal locker Lines wie: "Der einzige Bens/Benz, den du aufmachst, is' der Beutelreis vom schwarzen Onkel.", oder "Du bist der hässlichste MC auf Erden, das kann jeder hier im Zimmer bezeugen. Glaub mir, wenn Frodo jetzt hier wäre, wär seine Klinge am Leuchten." Leider wurde bei vielen ähnlichen Lines oft geschlafen. Auch Delivery-technisch eine Top-Leistung von ihm, da er seine eigene Aussprache und seine Füllwörter zu einem Trend macht und als Gimmick verkauft. Fresh Polakke ist ja quasi schon eine Legende am Battlerap-Himmel. Auch er hat hier wieder gezeigt mit welchen Entertainer-Qualitäten er sich hochgearbeitet hat. Sein "Everybody Bäääms Now!" ist fast mein Lieblingszitat aus Battles generell und wurde sofort zu einem Running-Gag in der Szene. Das Goldzahn-Scheme war an sich schon ein 'Goldstück' (der musste sein). Leider war bei Polakke (zum ersten Mal!) ein Choke drin, der ihn sichtlich geärgert hat. Jedoch, hat er diesen sogar verwendet und nicht nur überspielt, sondern als Showeinlage benutzt. Das war auf jeden Fall ein Beweis seiner Qualität als Battle-MC, nämlich eine Schwäche in eine Stärke zu verwandeln.  





Die Spannung steigt! Hier kommen die Top 3...



Platz 3:

Laas Unlimited vs Drob Dynamic (Rap am Mittwoch)


Wer gedacht hat, dass dieses Battle auf Platz 1 gehört, liegt falsch! Es ist nicht automatisch klar, dass das meistgeguckte Battle auch das Beste ist. Dafür gibt es zwei einfache Begründungen: Ausgeglichenheit und Gegner-Anspruch! Zunächst aber zu den Einzelleistungen.

Vor dem Battle war Drob einer meiner Lieblings-Battle-MCs. Besonders sein Kingfinale gegen Tierstar bei RaM hat mich umgehauen. Er war witzig, hat Theater gespielt und hat Punchlines gehabt, die sitzen. Leider war von diesem Hunger nicht mehr viel übrig in diesem Battle. Man merkt deutlich, dass er Laas unterschätzt hat. Seine Delivery war unsicher, seine Theatereinlagen eher mittelmäßig, er hat sich mehrmals verhaspelt und er hat vor allem ist er nie so richtig auf den Punkt gekommen. Was ich wirklich schlecht fand, war die Stelle an der er sagt, Laas schwangere Freundin würde sich selbst in den Bauch boxen. Das war weder reflektiert noch vergleichend. Ansonsten war die Gesamtperformance nicht so schlecht, wie es in den Youtube-Kommentaren dargestellt wird. Laas hat mit seiner eigenen Leistung Drob einfach übertrumpft und damit hat dieser offensichtlich nicht gerechnet.

Und da kommen wir auch schon zum Punkt, warum dieses Battle das meistgeguckte und hier in den Top 3 ist: Laas. Er hat wirklich eine Glanzleistung hingelegt. Super Struktur, tolle Pointen und schön auf den Gegner bezogen. Besonders fiel wohl auf, wie er das Umfeld mit einbezogen hat, z.B. die Mädchen in der Crowd. Aber das wahrscheinlich Beste an diesem Battle war wohl die zweite Runde, in der er von der Psychoanalyse für Drob über Rap am Mittwoch hin zu Ben Salomo und dem Vergleich mit dessen Karriere gegangen ist. Da hat selbst Ben nicht mehr aufhören können zu feiern. Auch das Hattrick-Pattern war klasse umgesetzt. Ein Negativpunkt war jedoch, dass Laas an manchen Stellen einfach zu schnell wurde, sodass er sich teilweise versprochen hat. Er sollte sich auf jeden Fall mehr Zeit lassen beim delivern. Auf jeden Fall denke ich, dass er hiermit die mit Abstand beste Einzelleistung in Sachen Battle hatte.

Warum also ist dieses Battle nicht auf Platz 1? Es ist eben wie gesagt nur eine Einzelleistung. Hier fehlt die Balance. Nur einer der beiden Rapper war hier wirklich krass. Und sowas schmälert zwar nicht die Leistung dieses Rappers, jedoch die des Battles insgesamt. Ferner finde ich hat Laas mit Drob auch einen Gegner gehabt, bei dem viel Angriffsfläche da ist und zuvor nur wenig davon genutzt wurde. Er ist auf sehr offensichtliche Punkte eingegangen. Die Umsetzung war zwar genial, aber die Thematik nicht unbedingt ausgeklügelt. Dennoch stellt Laas viele Battlerapper immer noch in den Schatten, darum auch mein Platz 3. Hoffentlich fordert ihn bald jemand heraus... wäre doch interessant zu sehen, ob er sowas auch ein zweites Mal hinkriegt.  

Platz 2:

Brian Damage & Harry Crotch vs Proton & Roni87
(Don't Let The Label Label You)


Nein, ich bin nicht selbstverliebt. Ja, ich habe eines meiner eigenen Battles auf Platz 2 gesetzt. Zurecht! Denn das Level, das hier an Unterhaltung geboten wird, ist wirklich schwer zu übertreffen. Das hier ist so ziemlich das Einzige meiner eigenen Battles, das ich mir wirklich oft angeschaut habe und auch heute noch gern gucke. Hier passieren einfach so viele Dinge, die mich zum Lachen bringen oder mir eine Gänsehaut verschaffen. Das Erste was auffällt ist die  Dynamik der MCs. Es war das erste 2on2 Battle in Deutschland (FüD zählt nicht, da haben Leute einfach hintereinander ihre Parts gerappt) und höher hätte man die Messlatte nicht legen können.

Roni und Proton hauen Reimketten ohne Ende raus, die noch krasser klingen durch die Abwechslung. Proton sticht hierbei durch seine Stimme und Performance heraus. Auch sehr schön fand ich den Nickname: "Drob Brian Damage" von Roni. Oder wie die beiden Harry Crotch als meinen Robin darstellen.

Allerdings kann man hier die Judges beim Wort nehmen: Brian & Harry liefern wirklich ab! Die Delivery und die Performance mit Doppels und Abwechslung machen dieses Battle zu einem Top-Match. Besonders die zweite Runde sticht hier heraus. Die Proton-Imitationen, das Abschluss-Scheme und der Chewbacca Sound sind hier wohl die Highlights. Die Physikbars von mit in der ersten Runde bringen auch On-Point-Wortspiel mit und die Israel-Lines von Harry in der dritten Runde liefern den nötigen Realtalk. Auch wenn wir fälschlicherweise als Anti-Semiten oder Islam-Fanatisten bezeichnet wurden, denke ich dass dieser Part wichtig für die abwechslungsreiche Stimmung des Battles war. Verbessungswürdig: Alle vier hätten wesentlich besser kontern können. Dennoch ist dieses Battle wohl bisher der Maßstab für ein gelungenes 2on2 in Deutschland und von daher auch ein verdienter zweiter Platz.

Platz 1:

Gregpipe vs Tierstar (Rap am Mittwoch)


Ein Battle der Giganten! Beide alte Hasen, beide hungrig, beide unterhaltsam! Diese Begegnung vereint für mich sehr viele Dinge, die ein gutes Battle braucht: Humor, Ernsthaftigkeit, Technik, Punchlines, Wortspiele, Delivery, Show und Ausgeglichenheit. Jeder MC ist auf seine Weise sehr stark.

Tierstar ist der Entertainer und schafft es mit einer ihm eigenen Art seinen Gegner ohne viel Schnick Schnack und Wortspielereien zu zerpflücken. Mir gefällt besonders, wie er seinen Werdegang als Battlerapper mit der Evolution vergleicht. Der Humor, den er dezent zwischen seine Storyteller-Schemes schiebt, ist dabei die Kirsche auf dem Eisbecher, da er den Zuhörer trotz aller Aggression immer wieder zum Schmunzeln bringt. Lines wie: "Hätte ich die selben Vorrausetzungen wie du, wär' ich schon Präsident geworden!", zeigen wie gnadenlos er seine Herkunft und sein Leben als Waffe gegen Greg einsetzt und somit das Battle auf eine persönliche Schiene lenkt. Auch in Sachen Performance und Delivery hat er gezeigt, warum er einer der besten im Land ist. Seine Fähigkeit Spannung für eine Punchline aufzubauen sucht seinesgleichen.

Gregpipe hingegen ist als Techniker bekannt. Er ist sich dieser Stärke bewusst und weiß sie hervorragend umzusetzen. Seine Reimketten und Wortspiele haben schon zu Feuer über Deutschland Zeiten beeindruckt. Aber in diesem Battle übertrifft er seine früheren Leistungen und feuert alle vier Zeilen eine Punchline oder ein Wortspiel ab. Die Line: "Du bist ein ziemlicher Flop, ich wie ein griechischer Gott, denn ich wurd' durch meine Ferse/Verse berühmt wie Achilles!", ist für mich auch bis jetzt die beste Punchline, die ich im deutschen Battlerap gehört habe! Mit Reimketten, bei denen alle Reime auch zu einander passen, attackiert er Tierstar systematisch und setzt beim delivern der Punch diese betonten Drama-Pausen, die seinen Flow so auszeichnen. Vor allem spricht er beim Reimen auch alle Worte korrekt aus und dreht sich im Satzbau nichts hin, um ein Wortspiel zu erzeugen. Davon können sich mindestens 70% der Battlerapper mal etwas abschauen (und dazu muss man auch nicht erst Germanistik studieren ^^).

Einziges Manko des Battles: die Länge! Vor allem Tierstars dritte Runde sprengt den Rahmen. Auf Youtube ist das Battle schon sehr langatmig, aber jetzt versetze sich einer mal in die Lage der live Anwesenden. Da schmerzen einem die Beine schon beim Zuschauen. Ansonsten ist dieses Battle ein absoluter Klassiker und die klare No. 1! Nicht zuletzt, aufgrund der Ausgeglichenheit beider MCs. Deshalb habe ich es auch über alle anderen Matches gestellt, denn nur wenn beide Rapper gut sind, kann die Qualität eines Battles ins Nirvana steigen.



Honorable Mentions:

Johnny Rakete vs Philipp Quh (DLTLLY)

P-Zak vs Battleboi Basti (RaM)

Rino Mandingo vs Breeze (DLTLLY)

Koozy vs Fatcap (RaM)

Brian Damage vs Doktor Dave (DLTLLY)

Mighty Mo vs Hansen (DLTLLY)

George Midas vs Der Fischer (DLTLLY)

Merlin vs Roni87 (RaM)

Schlusswort: 

Das waren also meine persönlichen Top 10. Ich wette nicht jeder ist mit der Liste zufrieden, aber ich denke jede Platzierung ist vertretbar für alle. Ach ja... falls sich jemand wundert, warum kein FüD-Battle dabei ist: Feuer über Deutschland hatte definitiv einige interessante Begegnugen, war aber in meinen Augen einfach nicht auf dem selben Level, wie Battles heutzutage. Da gab es kaum persönliche Punchlines und auch die Ausgeglichenheit und Beständigkeit der Rapper ließ zu wünschen übrig. Leider hat Deutschland erst seit einigen Jahren ein Level erreicht, das Battlerap nicht nur als Generic-Punchlines kicken und Mütter dissen versteht. Umso mehr freue ich mich, dass es deshalb noch viel Potential gibt und wir uns alle auf weitere Top 10 würdige Battles freuen dürfen! In diesem Sinne... TIMEEEEEE!

Brian Damage




Montag, 25. August 2014

Battles sind für alle da! - Ist Battlerap massentauglich?


(Don't Let The Label Label You 2014 - Session 5)

Diese Frage beschäftigt mich schon länger.
Seit 2009 schaue ich mich kontinuierlich durch die meisten Battle-Ligen dieses Planeten. Dabei habe ich mir schon oft obrige Frage gestellt. Denn anscheinend finden Rap-Battles immer mehr Anklang bei Zuschauern/-hörern. Vor allem nicht nur bei Hip Hop Fans. Immer öfter treffe ich auf Battle-Events Hipster, Rocker, Elektro-Hörer und echte, sowie Pseudo-Lyriker, die mir auf die Frage, warum sie denn da seien, antworten: "Naja, Battles sind für alle da! Hier wird man doch gut unterhalten... und das zählt."

Solche Antworten ließen mich doch etwas stutzig werden. War es nicht bis vor ein paar Jahren noch so, dass ich wie ein Psychatriepatient angeguckt wurde, wenn ich gesagt habe, dass ich Hip Hop Musik mache?! Wurden nicht vor drei Jahren noch Hipster und Rocker wegen ihren engen Hosen durch metaphorische Meinungsgossen gejagt? War es nicht so, dass Anfang der 2000er Elektro-Heads und Hip Hopper nie so richtig einen Nenner finden konnten? Die heutige Musik lässt einzelne Stile zwar immer mehr miteinander verschmelzen, aber dennoch gibt es immer noch klare Trennlinien. Nur zwei Phänomene konnte ich beobachten, die verschiedenste Typen sich gemeinsam unter das Dach des Hip Hop stellen lässt: Casper und Rap-Battles.

It's bigger than Hip Hop

Wie kommt es dazu? Diese war die zweite Frage, die sich mir stellte. Und Antworten gab es genug: "Das ist lyrisch einfach gut, oft auch besser als Poetry-Slams.", "Ich finde es gut, dass es ein Kräftemessen nur mit Worten ist.", "Superlustige Sachen sagen die da - scheiß auf Comedians." Das reicht aber denke ich nicht. Warum gerade Battles? Warum nicht Savas, Kollegah, oder meinetwegen sogar VBT? Ganz einfach: Weil es Action gibt, die zum Greifen nah ist und weil so viele Dinge vereint werden:
Es wird sich beschimpft, es wird gelacht, es wird gereimt, es wird sich bewegt, es wird kritisiert, es wird reagiert, es wird polarisiert und vor allem wird THEATER gespielt! Ein Theaterstück, das nur eine Premiere hat und bei dem jeder Zuschauer Einfluss hat, mit seiner Stimme. Es ist wie ein Boxkampf mit Worten: wer besser mit Worten trifft, landet mehr bei den Fans und bei seinem Gegner. Und dazu kann man aus den verschiedensten Bereichen wählen und somit auch diese Bereiche vereinen. Z.B.: Comedy, Theater, Poesie, Kabarett, Politik-Diskussion, Talkshow, Moderation, etc. - alles ist möglich. Ich persönlich denke, dass diese Variation aus verschiedenen Entertainment Bereichen das Format Rap-Battles bei den verschiedensten Gruppen immer beliebter macht.




(Rap am Mittwoch 2013 - Laas Unlimited vs Drob Dynamic)

Diese wachsende Beliebtheit ist nicht nur spürbar sondern auch sichtbar. Allein im deutschen Battlerap: Rap am Mittwoch ist vor ein paar Jahren in einen größeren Club umgezogen. Inzwischen wagen sich sogar etablierte Rapper bei RAM in den Ring. Don't Let The Label Label You tourt durch ganz Deutschland mit eigenen Events und mit End of the Weak. Dieses Jahr hat DLTLLY sogar ein Event auf dem Splash!, einem der größten Hip Hop Festivals Europas veranstaltet. Sogar die weltweit bekannte englische Liga Don't Flop, hat es vor einigen Wochen für ein Co-Event mit DLTLLY nach Berlin verschlagen. Ich selbst habe dort (als deutschsprachiger Rapper) ein Battle auf Englisch gemacht. Die Verbindungen werden also immer enger und die Welt des Battlens immer größer.




(Don't Let The Label Label You 2014 - Splash!)

Mainstream oder Failstream? 

Aber heißt bei 'verschiedensten Menschen beliebt' gleichzeitig 'massentauglich'? Auch wenn Battlerap sich zur Zeit ständig wachsender Beliebtheit erfreut, bedeutet das noch nicht, dass eine große Masse diese Kunstform gutheißen könnte. Allein faktisch gäbe es dafür mehrere Gründe:

1. Beleidigen
In Battles wird geschimpft, geflucht und "gehurensohnt". Mit dieser Art Sprache geht nicht jeder konform. Gläubige, Senioren, Business-Menschen wären nur einige Beispiele. Von Kindern ganz zu schweigen. Wenn Eltern jetzt schon ein Problem haben, dass ihre Kinder Rapmusik hören, dann möchte ich nicht wissen, wie groß der Aufstand wäre, bei einer Kunstform, in der es (u.A.) darum geht sich zu beleidigen.

2. Kinder
Da wir schon beim Thema sind: In meinen Augen ist für Kinder nicht nur das Aufsaugen von Schimpfwörtern bei einem Battle gefährlich. Viel komplizierter wird es erst bei der Bedeutung der Inhalte. Manche Kinder und auch Jugendliche, haben einfach nicht die Reife und die Erfahrung, um Ironie und Theater von Ernst und Realität zu unterscheiden. Ich glaube kaum, dass die Jugendlichen wegen einem Rap-Battle die Schule zerballern, aber ich denke es gibt manche Inhalte in Battles, die so komplex sind, dass sich nicht mal die Rapper selbst einig werden, wo man differenziert. Man muss eben auch Lebenserfahrung ein gewisses Verständnis für die Kultur mitbringen, um sich über ein solches Battle überhaupt Gedanken machen zu können.



3. Verständnis
Wieder ein treffender Übergang...hehe. Ja, man benötigt auf jeden Fall Verständnis für die Hip Hop-Kultur, um die Battle-Kultur verstehen zu können. Und wenn man dies hat, sollte man sich am Besten auch noch intensiver in die Battle-Kultur hinein arbeiten. Denn die benötigt wiederum mehr Verständnis. Allein jetzt in einer (noch) Untergrund-Szene sehe ich schon, wie sich in Youtube-Kommentaren über besagtes Verständnis gestritten wird. Würde das nicht viel schlimmer, wenn man Rapbattles Leuten einfach vorsetzt als Mainstream-Event, ohne vorher ein wenig aufzuklären?!


(Total Slaughter 2014 - Event Flyer)

In Amerika gab es vor Kurzem sogar einen Versuch Battlerap als Mainstream-Programm zu verkaufen. Über einen "Pay-Per-View" Privatsender wurde das von Shady-Films produzierte Format "Total Slaughter" ausgestrahlt. Zuerst gab es eine Art Reality-Soap namens "Road to Total Slaughter" in der acht Battle-MCs zusammen in ein Haus gesteckt wurden. Darunter namhafte Größen wie T-Rex, Daylyt, Arsonal oder Dizaster. Diese acht mussten im Turnier Modus gegeneinander antreten, um die zwei besten zu ermitteln, die dann im großen Finale beim Total Slaughter Live-Event battlen. Bei diesem Live-Event gab es dann noch zwei weitere Battles, nämlich zwischen den Legenden Murda Mook und Loaded Lux, sowie zwischen Battle-Veteran Hollow da Don und dem Platin-Status Rapper Joe Budden(!). In meinen Augen war dieser Reality-Soap Teil der Show eher wie ein "Real World of..." auf Hip Hop getrimmt. Die Battles waren jedoch sehenswert. Das Live-Event hingegen war mehr als nur traurig mit anzusehen. Die Location war zu groß, die Organisation zu chaotisch und die MCs traurigerweise einfach zu... ich will nicht sagen schlecht, aber definitiv zu overhyped. Man hat an der ganzen Aufmachung bereits eine typische Fernseh-Dramaturgie erkennen können. Alles sollte größer, besser und krasser sein. Allerdings war es wohl genau dieser Ansatz, der diesem Versuch Mainstream zu sein, das Potential genommen hat. 



(Total Slaughter 2014 - Road to Total Slaughter Episode 1)

Die Battle-Bundesliga

Ich habe mir schon öfters vorgestellt, wie eine Welt aussähe, in der Battlerap ein Volkssport wäre. Am Wochenende wird nicht über Fußball sondern über Rap-Battles diskutiert. Die Leute streifen sich das T-Shirt ihres Lieblings-MCs über und gehen zum Event oder sitzen vor den Fernsehbildschirmen. Die Zeitungen schreiben am nächsten Tag über eine dramatische Begegnung auf der Bühne zwischen zwei hungrigen Rappern. Es gibt eine Tabelle, Internet-Voting und Fanklubs. Battlerapper machen für Coca Cola Werbung. Es gibt Gehälter, Sponsorenverträge, Fanartikel und Pressetermine.



Allerdings kommen hier schon Dinge auf einen zu, die Streitigkeiten hervorrufen, weil Battlerap eben kein Sport mit Regeln sondern eine frei denkende Kunstform ist. Wie soll man also eine Tabelle erstellen und Leistungen messen. Jeder hat hier Geschmäcker, die nicht so leicht zu rahmen sind wie z.B. beim Fußball. Meine Vorstellung bietet viele Vorteile: vernünftige Bezahlung für Rapper und Veranstalter, Sponsoren für Events, Anerkennung einer neuen Kunstform. Allerdings möchte ich mir nicht vorstellen, ein Battle im Fernsehen zu sehen mit Werbeunterbrechung. Ich möchte nicht sehen, wie ein Rapper zensiert wird, nur weil irgendwelche Sendeleiter meinen, dass sowas nicht zum Image des Senders passt. Ich möchte keine geschmierten Battles sehen, bei denen es um Wetteinsätze geht. Ich möchte keine großindustriellen Lobbyisten, die mit Gehältern wedeln. UND VOR ALLEM möchte ich weder Qualitätsverlust noch möchte ich, dass ein Battle seine Einzigartigkeit verliert!




(Don't Let The Label Label You 2014 - Splash!)

Ich denke Battlerap sollte unbedingt noch mehr wachsen, denn diese Fähigkeit Menschen zusammen zu bringen hat so kaum eine andere Kunstform. Jedoch hat mir das Total Slaughter-Event gezeigt, dass ein Wachstum auch einen Wandel beinhalten könnte, der der Kultur mehr schadet als gut tut. Ich suche hier nicht nach einer Antwort, ob Battlerap nun massentauglich ist oder nicht, aber ich wollte meine Gedanken zumindest mal auf Papier bringen und nebenher gerne eine Diskussion anstoßen, die helfen könnte das Wachstum dieser Kultur so passieren zu lassen, ohne dass dabei die Seele verloren geht.

Brian Damage

(Nach solch philosophischen Worten hätte ich aber schon gern den Blog-Pulitzer-Preis! Und wenn's den nicht gibt... dann wenigstens ein Stück Schokolade oder ein Nimm2 Bon-Bon.)




Montag, 14. April 2014

Personal-Bars - Wo liegt die Grenze?


Puhhh... ich habe lange nachgedacht, ob ich diesen Artikel überhaupt schreiben soll. Warum? - Weil jeder (und ich meine JEDER!) dazu eine andere Meinung hat. Ich habe z.B. überlegt, ob ich meine Meinung in diesem Fall lieber für mich behalte, da sonst Leute empört reagieren und mich nur noch anhand dieses Artikels bewerten. Andererseits habe ich überlegt, ob ich mich hier auskotzen soll, da ich sowieso auf jedem Battle-Event mit Leuten darüber diskutiere. Ich bin zu dem Entschluss gekommen weder noch zu tun, denn meine eigene Ansicht zum Thema "Personals" ändert sich ständig. Deshalb werde ich dieses Thema mal unter einem analytischen Aspekt angehen und mit Hilfe meiner persönlichen Erfahrungen versuchen Antworten zu finden.

Seit Beginn der Battlerap-Geschichte sind die meist diskutierten Lines nahezu immer Personal-Lines gewesen. Egal ob in Diss-Tracks, Freestyle- oder Written-Battles. Der Meister der Diss-Tracks ist wohl unumstritten Eminem. Mit Liedern wie "Girls", "The Sauce" oder "The Warning", hat er die Bedeutung der Worte "persönlich werden" wohl neu definiert. Aber richtig interessant wird es denke ich erst in der Rapbattle-Szene. Hier sind die Protagonisten noch nicht auf die Planeten Hollywood und Riesenvilla ausgewandert. D.h. das sind noch echte Menschen zum anfassen, die ein Privatleben besitzen, welches unserem recht ähnlich ist. Und auf Battle-Events kann man diese Personen nicht nur beim Rappen bestaunen, sondern sogar mit ihnen sprechen. Allein deswegen hat ein Live-Rapbattle einen ganz anderen Charakter, da man im Gegensatz zum Diss-Track die Reaktion auf jede Punchline sofort in den Gesichtern der Rapper und des Publikums sehen kann. Das sind alles Dinge, die ein Live-Rapbattle viel greifbarer machen, als jeden Diss-Track oder jedes Video-Battle (...pff ...Video-Battles). Und es ist gerade diese greifbare Realität, die einer persönlichen Zeile ihre Macht gibt.


"Wenn ich die Hölle betrete, findet man Satan verkrochen,
sabbernd und kotzend in der Ecke, wie er in seinen Bart stammelt: 'Hätt' ich besser soviel wie Philipp's Vater gesoffen'."


(Merlin - Merlin vs Mighty P)

Was sind Personal-Bars?

Das war die erste Frage die sich mir aufwarf. Ist es schon persönlich, wenn man den Gegner in seiner Funktion als Rapper oder MC angreift? Ist es schon persönlich, wenn man sich auf den Gegner bezieht? Ist es schon persönlich, wenn man beschreibt, wie das eigene Fortpflanzungsorgan in irgendeine Öffnung des weiblichen Elternteils eindringt? Oder muss man da noch tiefer graben? (Ja... ich grinse gerade wie ein Honigkuchenpferd!)

Generell sehen viele Leute das verschieden. Jedoch lässt sich bei genauer Betrachtung ein Trend erkennen: In all den Jahren stellte ich fest, dass Fans, Battle-MCs, Veranstalter und weitere sich zu 99% einig waren, dass es in Ordnung ist, wenn man die Person in ihrer Künstlerfunktion angreift. D.h. alles was die Person als Künstler in der Öffentlichkeit tut, darf mit Punchlines bombardiert werden und das auch gerne mit persönlichem Bezug. Damit ist die erste der vier Fragen von oben schonmal beantwortet: Nein.

Aber bedeutet das automatisch, dass es eine persönliche Line ist? Ich finde, man muss da von außen nach innen vorgehen und die Persönlichkeit eines Battle-MCs wie ein Zwiebelmodell sehen: Mit jeder Schicht, kommt man dem Kern, also der verletzlichen Seite (und so auch dem Menschen, der hinter einer Kunstfigur steht) immer näher. Hier also mein persönliches Zwiebelmodell:

"Generic-Bars"


In meinen Augen die erste Schicht, da sie die meisten oft unberührt lässt. Die große Frage bei vielen Battles ist, ob man sog. "Generic-Bars" verwendet oder sich direkt auf das Tun und Sein des Gegners bezieht. Generic-Bars sind allgemeine Zeilen, die auf jeden zutreffen könnten und meistens frei erfunden sind. Die Line muss dabei nichts mit der Persönlichkeit des Gegenübers zu tun haben, sondern ist vielmehr eine Art den Gegner mit Hilfe allgemeiner Mittel zu beleidigen. Ein Beispiel wäre: "Ich fick dich in den Arsch!". Das kann man mit jeder Person machen, die einen solchen besitzt (und das tut vermutlich der Großteil der Menschheit). Eine simple Beschimpfungsfloskel also. Falls der Gegner jedoch unter einem analen Vergewaltigungstrauma leidet, dringt man ja tief in dessen Psyche ein ohne es zu wissen. Persönlich? Allerdings basiert eine solche Zeile auf einem "auf gut Glück"-Prinzip, wurde also in Unwissenheit darüber verfasst. Dabei fällt automatisch die Intention, auf genau dieses Trauma einzugehen, weg. Von daher: unpersönlich.

Gegnerbezug

Ich nenne diesen Typ gern "Rapper-Bars", da er sich oft auf die Figur eines Rappers oder eines MCs bezieht, der einem gegenübersteht. Hier wird vorzugsweise von der Musik eines Künstlers, anderen Battles, seiner "Fakeness" oder "Realness" oder irgendwelchen Businessmoves gesprochen. Gerne wird hier auch auf das Aussehen, wie z.B. die Kleidung eingegangen. An sich doch noch kein Grund die Moralglocke zu läuten...oder?!


"Ey und so winzig sein is' wirklich scheiße.
Obwohl hier viele nicht wissen wie schrecklich.
Denn der Arme brauch' sogar ein Sitzkissen, um sich auf ein Sitzkissen zu setzen!"

(Harry Crotch - Harry Crotch vs Jack Dragon)

Ich selbst habe z.B. gegen korpulentere Gegner bereits Witze über ihr Körpergewicht gebracht. Fast alle haben das mit Humor gesehen. Allerdings kann solch ein Humor auch irgendwann zur Maske für Selbstscham werden, womit man wiederum nicht nur an der Oberfläche kratzt, sondern die Nägel auch gerne mal ins Fleisch darunter versenkt. Das Gleiche passiert auch, wenn es um Musik geht. Geht man z.B. von der Raptechnik eines Gegners weg und spricht stattdessen über den Verlauf seiner Karriere, impliziert man automatisch den Menschen hinter einem MC. Bei dieser Art Gegnerbezug ist die Linie zwischen persönlich und unpersönlich also anscheinend schon fließend. Jedoch handelt es sich hierbei meistens um Fakten, die auch in der Öffentlichkeit kursieren und die in einem Battle (meistens) lediglich hervorgehoben werden. Deshalb sollte hier niemand rumheulen, wenn ihm/ihr das zu persönlich ist. Und falls doch... na dann tretet lieber dem Debattierklub bei und lasst Battlerap in Ruhe!



"Deine Mutter"

Ich habe beschlossen, den Muttersprüchen eine eigene Kategorie zu widmen, da diese wohl mitunter die am häufigsten diskutierten und verwendeten Zeilen im Battlerap sind. Jetzt sind Schale und die oberen Schichten schon entfernt und wir sind an dem Teil der Zwiebel angelangt, wo sich zeigt, wer weint und wer ohne Probleme weiterschneidet.

Ach ja... die Frau Mama. Der Aufbau der Mutterzeile ist simpel: Man beginnt einen Satz mit "Deine Mutter..." und lässt anschließend ein furchtbar beleidigende Phrase folgen. Oder man verwendet "Deine Mutter" als Pointe einer Punchline. Ich denke mal das ursprüngliche: "Yo mama!", hatte durchaus die Absicht, eine persönliche Grenze zu überschreiten. Aber das tut dieser Ausdruck ja nicht erst seit der Erfindung des Rap. Er hat ihn nur noch beliebter gemacht. Aber gerade die Überreizung dieses Ausdrucks hat es geschafft, dass die meisten MCs sich davon nicht einmal mehr beleidigt fühlen. Dennoch wird ständig diskutiert. Mein Lieblingsbattle, was diese Diskussion angeht, ist hierbei dieses:



(Rap am Mittwoch 2012 - Atzenkalle vs MC Bogy)

MC Bogy beleidigt in einem Freestyle gezielt (mit wohlgemerkt der ERSTEN Zeile) die Mutter von Atzenkalle, worauf dieser danach ebenfalls eine Mutterzeile bringt, die jedoch viel harmloser ist. Sie impliziert zwar deutliche Absichten, lässt aber noch einiges offen. Bogy hingegen hält gleich darauf mit aufgeregter Stimme einen moralischen Vortrag und beschwert sich, dass man sowas nicht tun "sollte". Inwiefern Bogy da nachgedacht hat oder nicht, überlasse ich dem Zuschauer.

Nun hat dieses Battle nach Jahren der Mutterwitze wieder eine Diskussion um jene angestoßen: Ist "deine Mutter" einfach nur ein leerer Spruch oder ein persönlicher Diss? Ich denke der Schlüssel zur Lösung liegt hierbei in jedem selbst. Manche haben ihre leibhaftige Mutter vor Augen, wenn diese Worte fallen und regen sich schlussfolgernd darüber auf, dass der Gegner die arme Frau direkt beleidigt. Dies soll ja oftmals der psychologische Effekt einer solchen Mutterzeile sein. Andere kennen bereits den besagten Effekt und münzen den Diss auf sich selbst um. Ich für meinen Teil, sehe das gelassen. Ich weiß, wer meine Mutter ist, was sie macht und meistens auch, wo sie sich im Moment meiner Battles aufhält. Von daher ist sowas weder ein Diss gegen meine Mutter, noch ein Diss gegen mich. Denn ich kann mir 100% sicher sein, dass alles, was mein Gegner gerade über meine Mutter sagt, absoluter Schwachsinn und nur ein Produkt dessen Fantasie ist. Ob ich ihm diese Fantasien übel nehmen soll? Nein, denn die meisten Gegner kennen meine Mutter nicht mal flüchtig, was sogar solche Fantasien noch irrelevanter macht. Das Gleiche gilt für mich auch für "dein/e <insert random family member here>"-Bars.



Jedoch gibt es für mich einen Grund Muttersprüche aus Battles rauszuhalten: Sie sind uralt und langweilig! Seit Jahren lebt die Freestyle- und Written-Battle-Szene von solchen Sprüchen. Es gibt selten irgendeine plumpe Beleidigung in diese Richtung, die ich nicht schon mindestens drei mal mit ähnlichem Aufbau gehört habe. In England oder den Staaten wird so etwas bereits mit "ultra-wack" abgestempelt. Deshalb ist es für mich unbegreiflich, warum viele Leute solche Zeilen immer noch für "dope" befinden. Ich feiere eine Mutterzeile auch gern, wenn sie abstrakt und in völlig neuer Struktur aufgebaut ist oder wenn sie aus dem Kontext entsteht. Ich feiere sogar manche die totaler Blödsinn sind, wenn dieser Blödsinn auch als Stilmittel im Gesamtpaket verwendet wird. Aber allein die Worte "Deine Mutter" machen noch keine Punchline! Und solange Battle-MCs und -Fans das nicht begreifen, wird es schwierig Battlerap in Deutschland auf ein anderes (tiefergehendes, persönliches, aber auch differenzierteres) Niveau zu heben. Message: Just let go of it!

Der Kern der Zwiebel

Was kann man denn nun eigentlich als persönlich bezeichnen? Nun kommt die letzte Schicht, die abgerissen werden muss, um zum Kern zu gelangen. Ja, ich spreche vom Menschen hinter der Kunstfigur. Da kommen meiner Meinung nach die wahren Personal-Bars. Hier spricht man von den Dingen, die der Gegner in seinem wahren Leben tut. Beruf, Freizeit, Familie, Freunde, Religion, Politik, Moral, Sex und so weiter. Meistens dreht es sich um persönliche Beziehungen oder verwerfliche moralische Ansichten des Gegners.

Ein Musterbeispiel wäre hier mein Battle gegen Mighty P:



(Don't Let The Label Label You 2013 - Brian Damage vs Mighty P)

Bei diesem Battle habe ich die komplette dritte Runde dafür verwendet, über den Tod seines Vaters zu sprechen. Dabei habe ich kein einziges Mal seinen Vater beleidigt oder attackiert, sondern wollte Mighty lediglich mit seiner eigenen Einstellung gegenüber seinem Vater konfrontieren. Damit gehe ich auf einige, äußerst fragwürdige Aussagen aus einem Lied von Mighty ein, in dem er von seinem Vater erzählt. Dummerweise habe ich vergessen in meinem Part zu erklären, dass ich mich auf dieses Lied beziehe. Ich war mir sicher, dass der Zuschauer meine Stilmittel erkennt und die Aussage begreift, die mit der ersten und der letzten Zeile zusammengeführt wird.
Jetzt der Punkt: Ich gehe doch dorthin, um einem Unbekannten zu sagen, was mir an ihm nicht gefällt, oder?! Genau das habe ich getan! Mighty hatte mit seinem Track die Situation bereits öffentlich dargestellt, also zeigt er selbst, dass er seine Gedanken darüber teilen möchte. Ich habe diese Möglichkeit genutzt und hatte an einigen seiner Meinungen etwas auszusetzen. Soll ich vielleicht darauf verzichten, weil man das Thema "Tod" nicht in der Öffentlichkeit anspricht? Nein, ich hatte ein Anliegen zu einem Thema, welches mich selbst bewegt, da ich auch Erfahrungen damit gemacht habe. Und da ist es mir wichtiger, etwas relevantes über meinen Gegner zu sagen und ihm meine Kritik zu diesem Thema mit auf den Weg zu geben, anstatt dumme Witze zur allgemeinen Belustigung zu reißen. Ferner kann ich sogar noch die Zuschauer zum Nachdenken oder zu einer Diskussion anregen.

Es gibt Leute, die sagen, dass hier eine Grenze überschritten wird, weil man nicht mehr nur den MC an sich kritisiert, sondern auch das wahre Leben des Menschen, der ihn verkörpert. Und das darf man nicht, weil das ja nichts mehr mit Hip Hop zu tun hat. Meistens sind das dann auch die Leute, die sagen es wäre unreal einen Track zu machen, der nicht vom wahren Leben handelt (wer sich angesprochen fühlt, sollte die Definition von "Antithese" nachschlagen). In anderen Ländern werden Personals (ganz im Gegensatz zu Deutschland) sogar sehr gefeiert, da z.B. Engländer, Amis oder Kanadier es als Pflicht sehen, die moralische Haltung und das Privatleben eines Rappers zu inspizieren, um herauszufinden ob der Rapper denn wirklich so toll ist, wie er sich präsentiert.



(Don't Flop 2012 - Jefferson Price vs Caustic)

In diesem Don't Flop-Battle zwischen Caustic und Jefferson Price, spricht Caustic in seiner dritten Runde darüber, dass Price seiner voluminöseren Verlobten anscheinend öfters fremdgeht. Er nennt sogar noch die Namen der Mädchen mit denen Jefferson Price seine Angebetete betrogen haben soll. Es mag vielleicht krass aussehen und es dringt durchaus tief in das Privatleben des MCs ein, aber auch hier hat Caustic nicht mehr getan, als die Einstellung seines Gegners zu kritisieren und dessen Moral in Frage zu stellen. Dies tut er wahrscheinlich auch, um den Leuten zu zeigen, dass sein Gegner einer der Sorte Menschen ist, deren Ideologien man nicht folgen sollte.

Ist es nun also wirklich verwerflich, wenn man in einem Battle auf den Menschen mit Personals eingeht? Battlerap ist weder Theater, noch das wahre Leben. Es ist beides gleichzeitig. D.h. ein MC ist zwar nur eine Kunstfigur in der Öffentlichkeit, aber dennoch entscheidet der Mensch dahinter, wie er seine Kunstfigur zum Leben erweckt und sie dem Pöbel präsentiert. Also steckt in jedem Rapper nicht nur ein Bühnencharakter, sondern auch der Mensch, der ihn erschaffen hat. Folglich wird der Mensch hinter der Figur miteinbezogen, darf also auch kritisiert werden. Aber gerade deshalb, sollte man seinen eigenen Menschen beim dissen nicht vergessen. Schließlich überträgt man die eigenen moralischen Ansätze mit jeder Punchline ein bisschen auf seine Figur. Darum ist es sehr wichtig für sich selbst zu differenzieren, ob man gerade Theater spielt oder es ernst meint. Ob man das für ein Publikum deutlich machen sollte, kann ich nicht sagen. Manchmal kann es auch sehr interessant werden, wenn einem Publikum die Entscheidung selbst überlassen bleibt, um vielleicht auch die Zuschauer zum nachdenken anzuregen oder sie zu testen.


"Ben sagt: Hol dir deinen Fame!". Doch du holst ihn nicht.
Du holst ihm den Fame, den er nich' bekam mit seinem eigenen Kaoslogeshit!"

(Laas Unlimited - Laas Unlimited vs Drob Dynamic)

Das Fazit

Prinzipiell finde ich, darf in einem Battle ALLES gesagt werden. Ob man das dann gut findet, liegt an den eigenen Ansichten. Genauso sollte ein MC wissen, ob er beim Punchline schreiben Grenzen zieht oder seine moralische Haltung für ein Battle über Bord wirft. Und genau hier zieht jeder für sich selbst die Grenze, egal ob MC oder Zuschauer. Jedoch bin ich der Meinung, dass sinnloses Beleidigen (egal ob persönlich oder unpersönlich) auch kein Weg ist zu einem guten Battle ist. Ein Battle-MC sollte sich nie zu weit von seiner menschlichen Einstellung entfernen, da sonst die Gefahr besteht sich selbst zu verlieren. 
Aber ein Battle ist nunmal kein Stand-Up Comedy, sondern war schon immer erfüllt von Moral-, sozialer und menschlicher Kritik. Und gerade die persönlichen Punchlines bieten eine Plattform für Selbstreflexion sowie die Möglichkeit ein Statement an eine größere Masse zu richten. Wer denkt, dass er nur zum Lachen auf ein Battlerap-Event geht, ist fehl am Platz. Da darf es ruhig mal persönlicher zugehen, denn hinter jedem MC steht ein Mensch, der den MC erst ausfüllt. Generell bin ich der Meinung, dass guter Gegnerbezug beim Pre-Written-Battle immer wichtig ist, denn wozu macht man sonst ein Battle gegen einen bestimmten MC. Aber wie bei allem im Leben sollte man immer die Balance halten.

Ich habe versucht dieses komplexe Thema so gut es ging zu analysieren und für andere und mich selbst greifbarer zu machen. Ich denke mal damit habe ich wohl den schwierigsten und längsten Artikel meines Blogs auch schon hinter mir (in der zweiten Woche... juhu!). Aber das wichtigste im Battlerap ist doch, dass am Ende des Tages über Skills gestaunt werden kann, egal ob mit Generic-Bars oder Personals.

Brian Damage